Heute Abend stehen die Macher von Sixapart in Berlin Rede und Antwort bei einem Blogger-Treffen – wie es aussieht, wird es ziemlich wirtschafts- und PR-lastig, und manche der Anwesenden – altgediente Neuökonomisten – würden mir sicher nicht gern im Dunkeln begegnen. Gut, kein Problem, ich bin ja in München, und ich weiss nicht, ob ich wirklich was versäume, wenn ich mir von einer mir altbekannten Studienfirma nicht die Weblogwelt erklären lasse.

Andererseits würde mich die Frage schon sehr interessieren, wie es mit Sixapart weitergehen soll. Schliesslich hat die Firma auf der einen Seite Venture Capital aufgenommen, das möglichst schnell möglichst hohe Rendite erwirtschaften soll, und hat auf der anderen Seite durch Merger und Zukäufe eine ziemlich komplexe Geschäfts-, Aktionärs- und Gesellschafterstruktur. Nun kam in einem Kommentar die Frage nach einem Börsengang von Sixapart auf. Ich möchte folgende Überlegungen keinesfalls als Kritik oder Schmähung, sondern nur als die neutrale Analyse verstanden wissen, die jeder macht, der in der VC/Investment/IPO-Branche tätig ist. Ich persönlich denke, dass Sixapart inzwischen verzweifelt nach jemandem sucht, der die Firma aufkauft. Die Gründe sind denkbar einfach: Die VCs wollen Geld, die Gesellschafter wollen Geld, und ein Börsengang ist unmöglich. Dass es so ist, liegt in der Natur der Sache.

Zu den VCs: In Sixapart stecken mittlerweile fast 12 Millionen Dollar VC – wieviele Anteile die VCs dafür bekamen, ist meines Wissens nicht bekannt, hier schätze ich das, was marktüblich ist. Die Firma ist bislang nicht profitabel, und ein Grossteil des Geldes ist verbrannt. Das ist kein Problem, VC ist zum sinnvollen Verbrennen da, und Sixapart hat sich recht massvoll benommen. Die Leistung einer VC-Gesellschaft wird an der Verzinsung ihrer Fonds gemessen, aus dem das Geld an die Startups fliesst. Man erwartet allgemein dabei Renditen von 15 bis 25% auch in schlechten Zeiten. Um solche Renditen zu erwirtschaften, müssen den diversen Pleiten eines Fonds ein paar Deals gegenüberstehen, die überdurchschnittlich hohe Rendite bringen, zwischen 50% und 100% Wertzuwachs pro Jahr. Das Ziel wird offensichtlich, wenn man sich die Exit Preferences anschaut, die Regelungen zum Verkauf der Firma, die Bestandteil des Vertrages zwischen VC und Firma sind. Dort wird momentan in der Regel festgelegt, dass der VC beim Verkauf vor allen anderen Gesellschaftern bedient wird, und zwar mindestens mit 200% der investierten Summe. Klingt hart? Ist es nicht, es gibt auch Verträge mit 400%. 200% ist die Einstiegsklasse, die wir für Sixapart in unserem Rechenbeispiel gnädigerweise annehmen wollen. Grob gesagt heisst das: Nach momentanen Stand müssen allein für die Anteile, die die VCs an Sixapart gekauft haben, 24 Millionen Dollar reinkommen. Selbst ohne die Festlegung in den Exit Preferences ist es das, was die VCs marktüblich und billigerweise erwarten.

Zu den Gesellschaftern: Als da sind die Trotts, der Franzose Loic le Meur und der Gründer von Lifejournal, die Shares erhalten haben, als sie mit Sixapart zusammengegangen sind. Nehmen wir mal an, sie haben alle zusammen 50% der Anteile an Sixapart, die VCs auch 50%. Die Gesellschafter müssten zusammen 24 Millionen bekommen, um in der Performance des VCs mitzuhalten – insgesamt also müsste Sixapart demnächst für 48 Millionen verkauft werden. Gäbe es nur 30 Millionen insgesamt, blieben bei den Gesellschaftern nur 6 Millionen, wobei da noch einiges an Steuern, Kosten etc. weggehen würde – aber immerhin!

Denn was wäre, wenn Sixapart einen IPO hinlegen würde? Da sind zuerst mal die Probleme der Integration von Lifejournal. Um ein nach aussen einheitliches, funktionierendes, finanziell stabiles und dauerhaft Gewinne erwirtschaftendes Unternehmen aus den beiden Firmen zu machen, braucht man gut und gerne ein Jahr. Damit ist nicht die neue Website gemeint, sondern die Entwicklung und Feinjustierung ganzheitlicher Revenuemodelle. Klingt pedantisch, aber das sind nun mal die Dinge, auf die die Konsortialbanken, die den IPO letztlich machen, schauen. Und von da an dauert es ein weiteres Jahr, bis der IPO dann auch wirklich kommt. Das heisst aber auch, dass die VCs bis zu diesem Zeitpunkt eine weitaus höhere Verzinsung brauchen, um ihre Performance zu halten; statt der jetzt fälligen 24 Millionen sind es dann schon ? sehr konservativ gerechnet – 40 Millionen auf Grundlage der bisherigen Investments. Aber da kommt noch einiges dazu: Sixapart muss mit einem harmonischen Personalbestand so lange durchgefüttert werden, und die IPO-Vorbereitung verschlingt ebenfalls Geld. Das heisst, die VCs werden nochmal gut 5 Millionen für vielleicht 10% der Anteile an Sixapart locker machen müssen, die den VCs verzinst nochmal 10 Millionen einbringen sollen – damit wären wir das bei 50 Millionen, die ein IPO allein für die Anteile der VCs einbringen müsste. Wenn, ja wenn die Banken dabei nicht auch 15% haben wollten, womit wir bei geschmeidigen 58 Millionen angekommen wären, die das Paket der VCs bringen müsste.

Damit müsste Sixapart beim Ausgabepreis der Aktien, ohne einen Cent Gewinn an der Börse schon 100 Millionen wert sein – und was hat Sixapart dafür zu bieten? Welches Kurs-Gewinn-Verhältnis? Welches Kurs-Umsatzverhältnis? Um an der Börse als “faire Bewertung” zu gelten, müsste Sixapart einen Jahresumsatz von 25 bis 50 Millionen machen! Selbst, wenn man einen Worst Case-IPO für die VCs annimmt, müssten nach 2-3 langen Jahren die 200% erreicht werden – es blieben dann immer noch 40 Millionen, die der IPO bringen müsste, und 70 Millionen Marktkapitalisierung. Um in diesem Fall beim Ausgabepreis ein faires Kurs-gewinn-Verhältnis hinzubekommen, müsste Sixapart mindestens 4, 5 Millionen Gewinn pro Jahr machen – innerhalb von 2 Jahren ab jetzt. Während der New Economy war das noch anders, aber heute zählen Umsatz und Gewinn, und dafür würde sich Sixapart sehr lang machen müssen.

Die Gesellschafter müssten sich in diesem Fall wohl noch dazu verpflichten, ihre Aktien zu behalten. Sprich, sie könnten die nächsten 6 bis 12 Monate nicht Cash machen, und müssten um den Aktienkurs bibbern. Aber auch dann könnten sie kaum grössere Pakete verkaufen, ohne den Kurs zu gefährden. Und ein Loic le Meur ist garantiert niemand, der so lange wartet – durchaus verständlich: Zu lang, und deshalb viel zu riskant. Dazu kommt noch aus Sicht der Börsianer die Frage, was Sixapart eigentlich ist. In der Blogosphäre gelten Sixapart und Lifejournal als Giganten; von aussen betrachtet sind sie aber nur ein Anbieter eines reduzierten Content Management Systems, das nirgendwo ausser der kleinen Nische der Blogs auch nur ansatzweise eine Art Marktführerschaft beanspruchen kann, und eine Jugendcommunity. Auf der anderen Seite muss man auch mal die Konkurrenten sehen: Microsoft mit Spaces, Google mit Blogger, AOL mit seinen Diaries und Yahoo mit seiner Eigenentwicklung. Und gegen diese Player mit enormen Verwertungspotential will Sixapart mit einem Abodienst anstinken? Das klingt nicht nett, sorry, aber so tickt nun mal die Börse. Marktführer bekommen Geld, die anderen nicht.

Natürlich wäre Sixapart mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie den IPO nicht immer wieder ins Gespräch bringen würden, um ihren Verkauf zu beschleunigen: Ist Sixapart erst mal an der Börse, sind die Aktien in Streubesitz, kann es nur schwer von Interessenten übernommen werden. Eine Übernahme wäre auf jeden Fall billiger, so die schlüssige Argumentation. Ein Trade Sale, ein Verkauf der Firma an einen Konkurrenten würde Sixapart viel ersparen: Den weiteren Ausverkauf an die VCs, die zwangsweise enormen Wachstumsraten bei Usern und Wert, die problematische Entwicklung der Wertschöpfung, das Erreichen eines Break Evens, die Risiken auf einem langen Weg, an dessen Ende niemand sagen kann, ob Blogs dann noch irgend jemanden interessieren. Bleibt nur die Frage: An wen soll man das verkaufen?

Microsoft scheidet aus, Microsoft macht das immer selbst. AOL hat schon, Google hat schon, Yahoo macht gerade selbst. Vielleicht Disney, vielleicht Universal; Firmen, die mit Jugendmedien zu tun haben. However, meine Meinung ist: Es sieht gar nicht gut aus für Sixapart. Dass sie ein Problem haben, wurde meines Erachtens in dem Moment klar, als sie Lifejournal übernommen haben. Man erinnere sich an die rührselige Geschichte des Gründers, der keine Lust auf Business hatte und Sixapart sehr apart fand. Ich bin ein gutgläubiger Mensch, man nennt mich auch Don der Nachsichtige oder Alphonso Bonsperanza, aber:

Ich glaube nicht, dass jemand einfach so seine Firma für eine Millionensumme an eine andere verkauft, ohne dass irgendein Berater, Rechtsanwalt oder die Mama ihm sagt, er solle doch mal schaun, was andere dafür zu zahlen bereit sind. Ich bin mir sicher, dass das Angebot von Sixapart nicht das einzige war, das eingeholt wurde. Es war am Ende das beste, aber das heisst auch, dass alle anderen weniger geboten haben – oder kein Interesse hatten. Ich denke, auf die Folgerungen kann ich an dieser Stelle verzichten.

Das wäre natürlich heute Abend ein Co-Referat, das würde sich nicht gehören, deshalb sei es hier vermerkt. Nichts für ungut, hier stehen nur die Überlegungen des Systems, in das sich Sixapart aus freiem Willen begeben hat.