(sorry für die deutlichen Worte) Momentan ist grosses Schulterklopfen angesagt. “Business-Blogger” und die Blogger mit Schwerpunkt auf Corporate Communication (CC oder auch Unternehmenskommunikation) wittern Morgenluft: Blogs wären das nächste grosse Ding in der CC. Intern als Knowledge Management, extern als Möglichkeit zur Selbstdarstellung. Die anderen Blogs, ganz weit draussen sind demzufolge Quelle für Datenschnüffeleien oder eine Chance, was aufs Maul zu bekommen (Jamba lässt grüssen), worauf man am besten mit Ãœberwachung durch sich anbiedernde Möchtegern-Berater reagieren soll ? also Geschäftsanwendungen aller Orten.

Zu den Datenschnüffeleien steht hier mehr – meines Erachtens ein Exponat für das Museum of the Future that never happened. Nachdem viele Firmen mit Knowledge Management sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben, bleibt die klassische PR im Sinne von Pressearbeit als der Bereich übrig, wo Blogs zeigen können, was sie drauf haben: Im besten Fall werden sie Journalisten egal sein, im schlimmsten Fall nerven.

Der Grund dafür ist das Wesen der typischen PR-Leute, die die Bedeutung ihrer Firma überschätzen und selbstverständlich davon ausgehen, dass Journalisten sie um Neuigkeiten anflehen. Es ist für den PR-Menschen überlebenswichtig, den Bossen diesen Eindruck zu vermitteln – nichts desto trotz sieht ein Journalist wie ich die Sache qua Beruf ganz anders.

Nehmen wir also mal an, ein Boss eines technologieorientierten Mittelständlers fällt den Berater rein und macht in Zusammenarbeit mit der PR zwei Blogs – eines für sich und ein weiteres für den PR-Futzi. Aus der Theorie der Pressearbeit ist das nur logisch. Schliesslich muss der Chef das Unternehmen repräsentieren und der PR-Futzi die Fakten liefern. Und jetzt bloggen sie also los, jeden 2. Tag einen Beitrag, eine Idee, einen Textschnippsel.

Für Journalisten bedeutet das, dass sie zuerst einmal ziemlich unsortierte Informationen auf einem Haufen haben. Um zu erfahren, was wichtig und was irrelevant ist, muss man sich durch alles durchfressen, auch, wennŽs nur die Notiz von einem Arbeitsessen ist. Nachdem man nie wissen kann, ob unten nicht doch der wichtige Satz kommt, muss man den Krempel zumindest überfliegen. Das dauert, und wenn der Chef und sein Handlanger nicht unterhaltsam schreiben können – was eher die Regel denn die Ausnahme ist – wird das Dauergemurmel im Netz schnell zur Qual.

Klassische Pressearbeit versucht dagegen, die Journalisten mit möglichst grossen, tollen News zu fesseln. Sprich, einmal alle 2 Monate kommt eine grosse, echte Nachricht, die so noch nie zu lesen war: Ein Scoop, eine Story. Bei einem Blog gibt es die Story dagegen über Monate in einzelnen Häppchen: Hier eine neue Funktion, da eine Erweiterung. Wenn das dann alles kommuniziert wurde, ist es eigentlich schon seit Wochen und Monaten bekannt – und keine News mehr. Es gibt Ausnahmen – Apple und Steve Jobs beherrschen das Spiel mit Andeutungen meisterhaft, aber das ist eine Weltfirma, und der neue iPod hat eine andere Relevanz als irgendein Stück Software einer banalen Mittelstandsklitsche. Die wird sich ihre Neuigkeiten eher totschreiben.

Dazu kommt, dass sich ein Journalist bei der Recherche die Info-Brösel mühselig selbst aus dem Blog zusammenklauben muss. Das ist eine Menge Arbeit, von der man eigentlich gewohnt ist, dass sie einem von der PR abgenommen wird. Desto mehr Blogs es im Unternehmen gibt, desto grösser ist der Arbeitsaufwand, die Geschichte zu verfolgen. Es mag durchaus sein, dass sich das bei einem COO einer Firma wie Sun lohnt – aber unser normaler Mittelständler ist wohl kaum so wichtig, als dass es für einen unter Zeitdruck arbeitenden Medienvertreter vertretbar wäre.

Man sollte auch einen anderen, theoretischen Vorteil gleich wieder vergessen: Den Glaube, dass Medien Blogtexte im Netz verlinken, Traffic erzeugen und den Pagerank und die Bedeutung der Firma anheben. Journalisten wollen den Eindruck erwecken, Informationen möglichst exklusiv und aufwendig selbst recherchiert zu haben. Keiner will den Eindruck erwecken, dass er sich seine Erkenntnisse von ein paar Blogs zusammengeschmiert hat.

Dazu kommen noch sprachliche Probleme. Pressemitteilungen bringen zumindest druckreife Zitate und präzise Informationen über denjenigen, der sie sagt. Man kann also zur Technik einen Spezialisten reden lassen, und zur Bedeutung den Chef. Im Artikel des Journalisten kommt das gut, weil die Zitate den Anschein machen, dass er mit beiden gesprochen hätte. In unserem Beispiel läuft alles entweder auf den Chef oder den PR-Hansel hinaus, mit dem Risiko, dass beide keine Spezialisten sind und die Sache in ihrem Geschreibsel nicht auf den Punkt bringen. Der Journalist muss das dann mühsam umschreiben und passend machen; ein Job, den jeder hasst. Eventuell muss man dort anrufen und den Spezialisten erfragen, um dann endlich an die gewünschte Information zu kommen

Besonders schlimm wird es, wenn der Chef tatsächlich im Sinne von “persönlicher Kommunikation” blogt, um als netter Kerl rüberzukommen. Flapsige Sprüche und Scherze sind nett zu lesen, aber beim Schreiben eines Artikels eher hinderlich, wie auch Informationen zum Chef als Person. Im persönlichen Gespräch, im Interview für einen langen Artikel ist das gut, aber ein Text auf Basis eines Blogs wird kaum derartig tief gehen. Auf der anderen Seite steigt die Gefahr, dass zu viel verbreitet wird – schnell schreibt man mal was Unbedachtes hin; ein Journalist findet es und verwendet es später gegen das Unternehmen. Die Haffas, die in den Hochzeiten der New Economy gern und viel redeten, bekommen heute ihre Aussagen wieder um die Ohren geprügelt; ein Haffa-Blog würde die Sache nochmal erleichtern. Hm. OK, das spricht eigentlich für PR-Blogs.

Aber hier wird klar, warum auch das andere Extrem, das Blog aus der Feder eines Ghostwriters, nicht funktionieren wird: Spätestens, wenn der Chef seine angebliche Aussage später mal präzisieren soll, wird er unweigerlich ins Schwimmen kommen. So wird aus dem PR-Blog schnell ein PR-GAU. Fakes haben die unangenehme Eigenschaft, entweder aufzufliegen oder, wenn sie entsprechend plump gemacht sind, nicht ernst genommen zu werden.

Bleibt noch das Argument, dass Blogs für Journalisten unterhaltsamer sind: Journalismus ist nicht Cyberslacking, sondern banale Arbeit. Wer sich vom netten Ton eines PR-Futzis einlullen lässt oder PR als Entertainment wahrnimmt, ist im falschen Beruf. Die meisten Journalisten stehen unter Zeit- und Kostendruck, und brauchen deshalb präzise, leicht verständliche Informationen zum richtigen Zeitpunkt. Das bieten Pressemitteilungen, und sie tun es perfekt. Blogs sind glücklicherweise genau das Gegenteil: Unpräzises, launisches Dauergequassel. Es ist möglich, keine Frage. Aber es bringt nichts, ausser eine Menge Frustration bei Journalisten, die sowieso schon mit Informationen zugemüllt und überall mit den Rückständen der Personality-Berater belästigt werden. Pressearbeit, die der Presse nicht dient, ist vergeudete Aufmerksamkeit und angesichts des immensen Arbeitsaufwandes viel rausgeschmissenes Geld – besser sollte man Berater rausschmeissen, die Blogs als das grösste Ding seit geschnittenem Brot anpreisen. Und wer seine Stories mit normaler PR nicht absetzen kann, wird es auch mit einem Blog nicht schaffen.