Über ein Jahr lang lief auf praktisch allen Blogpanels dieser Republik das immer gleiche Dramolett: Sobald es um Medienmacht, Impact oder den blossen Remmidemmifaktor von Blogs ging, kam die Sprache auf den Jambakurs bei Spreeblick. Der Ablauf: Blogger schreibt lustigen Text über verhasste Firma, Firma schreibt böse Kommentare, fliegt auf, alle Blogger verlinken es, Johnny wird berühmt, Jamba bekommt in den Medien eine vor den Latz, muss sich um seine Reputation Gedanken machen. Spätestens mit dem Einstieg von reichweitenstarken Medien wie Spiegel Online war der Fall für Jamba ein echtes PR-Problem, und Johnny stand im Ruf, das deutsche Äquivalent zum Fall der untauglichen Kryptonitschlösser in den USA zu sein.

Da konnte das Publikum erkennen, welche Folgen das Bloggen für Firmen haben kann, und diversen Eigenangaben zufolge machte mancher Berater für Blogangst mit dieser Geschichte auch gute Geschäfte. Dummerweise wartet man seitdem vergleichsweise erfolglos auf Nachfolger, die aus dem einmaligen Fall eine langfristige Katastrophe machen. Jamba selbst bekam Probleme vor allem durch eine wenig erfolgreiche Amerikaexpansion, aber nicht mehr durch Blogger. Andere Beispiele – Nazizeitungen bei Google News, die Pleite eines umstrittenen Mediendienstes, eine unsaubere Ad-Hoc-Meldung einer Internet-Agentur und die diversen Medienversagen von BILD, SPON und Focus brachten zwar durchaus Medienresonanz und Probleme für die jeweiligen Verantwortlichen, waren aber keinesfalls derartig einprägsam wie der Jamba-Fall. Selbst die Aktionen der Blogosphäre zu “Du bist Deutschland” sind wegen ihrer langen Dauer und dem Fehlen eines “Big Bang” eher schlecht geeignet, um den Einfluss der Blogosphäre zu erklären. Noch nicht mal die Entdeckung, dass der Claim der Kampagne teilweise von den Nazis verwendet wurde, ändert etwas am Grundproblem, den Fall knackig rüber zu bekommen. Firmenkommunikation ist da ganz andere Probleme gewöhnt – wo waren nochmal die Weiber, Gebauer?

Aber jetzt gibt es ja die Rundmail des Agenturchefs Jean-Remy von Matt, die Jens Scholz veröffentlicht hat. Und ein paar Tage, nachdem die Wellen der Empörung hochgeschlagen sind und bei Google zum Namen des berühmten Werbers auf Platz 1-10 fast nur noch diese Sache zu lesen ist, kommt auch noch der wenig geglückten Versuch einer Entschuldigung, die in manchen Punkten den gesamten Vorgang verschlimmbessert.

Und an spätestens jetzt wird es für die Freunde auf den Podien spannend. Das ist genau der Fall, den man braucht, um zu zeigen, was Blogger so alles anstellen können – und gerade für die Kommunikationssparte kann es kein besseres Beispiel geben.

– Denn mit Jean-Remy von Matt erwischt es nicht einen Startupper, sondern einen erfahrenen Kommunikationsspezialisten. Den Mann, den manche für den besten Texter des Landes halten. Den Gottvater der Werbebranche. Und es erwischt ihn ausgerechnet bei der Kampagne, die wirklich jeder kennt. Bei einer Kampagne, die sein Baby war. Das hat Impact wie eine 80mm-Granate.

– Seine eigene Agentur macht den Fehler, bei Jens Scholz gegen die Veröffentlichung anzustänkern – statt auf die Profis zu warten, die in der Kampagne dafür zuständig sind.

– Es erwischt ihn persönlich. Nicht als Chef der Agentur Jung von Matt, sondern als polterndes, wütendes, angepisstes Ego. Es erwischt ihn in dem Moment, da er nicht mehr seine Angestellten, sein Vorzimmer und all seine millionenschweren Etats um sich hat. Es erwischt ihn an der Stelle, wo es tödlich ist, wenn man so will, am Friedman-Punkt. Da, wo man sich auf gar keinen Fall erwischen lassen sollte, wenn man danach noch Ernst genommen werden will.

– Die Sache kommt allein durch die Blogosphäre hoch. Publikumsmedien sind nicht so blöd, auf das Thema aufzuspringen, denn letztlich ist von Matt der Mitbesitzer einer Agentur, die immer noch über Etats wie den von Saturn entscheidet. Die meisten Grossen sind ohnehin Teilnehmer der kritisierten Aktion “Du bist Deutschland”, da wären kritische Berichte am Kopf der Veranstaltung wohl wirklich ein wenig dolchstossend. Abgesehen davon – es sind doch nur Blogger. mögen sich viele Journalisten denken, das interessiert sonst keinen. Das Thema breitet sich allein durch die Vernetzung der Blogs aus, ohne aussenstehenden Katalysator. Kurz: es ist ein Blog-PR-GAU in Reinform. Er zeigt, zu was die Blogosphäre allein fähig ist. So einiges. Ich sage nur: 80 mm.

– Zu allem Ãœberfluss schafft Jean-Remy von Matt als Texter genau das, was ein Texter nie, auf keinen Fall schaffen darf: Einen Begriff, einen Claim, der aufgegriffen und gegen ihn und die Kampagne gewendet wird. Die Klowand. Die menschliche Geschichte ist voll mit solchen schlechten Einfällen; die holländischen Geusen des 16. Jahrhunderts etwa leiten ihren Namen von einer Beleidigung der sie bekämpfenden Spanier ab. Mit einem Schlag empfanden sich alle Schichten als solidarisch, weil sie sich vom Wort Geusen – Bettler – kollelktiv ausgegrenzt und diskriminiert sahen. Nur: Den Begriff, der damals eine Nation im Kampf einte, prägte damals ein arrogante, dumme Hofschranze, und nicht ein Mann, der allgemein als fähiger Vermittler von Botschaften an das brunzdumme Geiz-ist-geil-Glotzenvolk gilt.
wie man das gegen arrogante, dumme Hofschranzen abgrenzt, ist nochmal eine andere Frage

– Ein Mann, der im Ãœbrigen im Rahmen seiner Kampagne von zwei anderen, angeblich extrem guten Kommunikationsagenturen unterstützt wird KemperTrautmann – die hatten allersings schon mal danebengegriffen – und FischerAppelt. Letztere werben übrigens besonders mit ihrer Fähigkeit zum Blogmonitoring und behaupten zu denen zu gehören, die mit der Blogosphäre locker umgehen zu können – so wollen sie im Fall der Naziclaims die Berichterstattung der Medien unterbunden haben.
Nebenbei, die Finanzierung mancher deutscher Institute und Forschungsstellen zum Nationalsozialismus wäre auch mal ein spannendes Thema, sage ich jetzt mal so. Nein, ich bin kein Neonazi. Ich bin, von deren Standpunkt, das genaue Gegenteil. Ich will auch keine Verschwörungstheorien aufmachen, aber die deutsche Holocaustforschung stützt sich im erheblichen Mass auf Spenden und Unterstüzung deutscher Firmen oder von ihnen finanzierter Stiftungen
Wie auch immer, wenn es so war, dann haben FischerAppelt diesmal gepennt. Oder sich zu sehr auf die Medien konzentriert. Für die Blogger, dachten sie wohl, reichen Mails an – zugegebenermassen gut recherchierte – eher kompromissbereite “Stakeholder” und Meinungsmacher, deren Emails sie dann entsprechend beschickt haben. Dummerweise mit einem Posting, das bei vielen erneut negative Reaktionen ausgelöst hat.

– Und offensichtlich ist allen Beteiligten entgangen, dass der Begriff Klowand das letzte gewesen wäre, was darin nochmal hätte vorkommen dürfen. “The coffin is nailed”, sagen die Briten.

Es mag gut sein, dass die Medien lieber ein Urinal aussaufen würden, als sich gegen FischerAppelt oder Jung von Matt einen Bericht abzuringen. Nur: Dieser Fall findet nicht nur in den Medien statt, sondern in der PR- und Werbebranche. Von Matts Antwort ist vor allem der Schadensbegrenzung in der Werbeszene geschuldet – in dem Moment, da die Blgosphäre nicht mehr einhellig reagiert und unter sich streitet, ist bewiesen, dass von Matt und FischerAppelt es kann: Bei minimalen Zugeständnissen das Problem aus der Welt schaffen. Das Gesicht wahren. Haben übrigens auch die Spanier mit den Geusen probiert. War aber keine so gute Idee.

Umgekehrt sind da draussen all die Scholz & Friends, die goldenen Hirschen, die BDDOs und Springerjacobis, die text100er, die Ketchums und viele kleine Möchtegern-Berater, die sich über die Geschichte freuen und ihr eigenes, netzwerkinternes Anti-Marketing betreiben. Es ist eine Branche in Krise und Umbruch, und gerade im Fall der Blogkompetenz ist hier so viel schief gelaufen, es ist eine derart saftige, plastische, geile Geschichte, dieser Grösste aller Obermacker, dem die Blogger die Hose runtergelassen haben, man kann sie mit ein paar Sätzen erzählen und jeder kapiert, dass draussen vor dem Mann keiner mehr Respekt hat, und das, obwohl die besten Leute der PR-Blog-Branche geholfen haben – kurz, alle Gegner werden von allen Podien diesen Fall ins Publikum, zu ihren Kunden tragen, und Lars Cords von FischerAppelt wird sich die Finger wundtelefonieren, um auch hoch zu dürfen und genau diese Debatte zu verhindern. Ihnen allen ist scheissegal, was in den Medien steht, denn ihre Kunden wissen genau, wie man die kauft – aber hier haben die Spitzen der Branche im ureigensten Gebiet eine böse Schlappe kassiert.

Das wiederum findet die Konkurrenz gut: Mit ein paar Quotes zu zeigen, dass man mit dem cholerischen von Matt und den vielversprechenden FischerAppelts Risikofaktoren und Versager kauft, ist für all die Gegner ein innerer Reichsparteitag. Und deshalb wird der Klowand-Scholz der neue Jamba-Johnny. Garantiert.