oder: “Blog-Software PR-Desaster Part 2”

Die beliebte Blogsoftware “MovableType” von Six Apart verlor im FrĂĽhjahr/Sommer letztes Jahr ihre “Unschuld” als Six Apart seine Lizenzpolitik änderte. Aus der Gemengelage von Unzufriedenheit ĂĽber mangelnde Weiterentwicklung, in Details Verschlechterungen der Lizenzbedingungen und etwas hemdsärmelige Vermittlung der neuen Lizenzpolitik, entstand eine Aufbruchsstimmung unter Teilen der MT-User, die schlieĂźlich zu anderer Weblog-Software wechselten und sich auch nicht durch Korrekturen der MT-Lizenzen zurĂĽckbringen lieĂźen.

Größter Profiteur war damals die Open-Source-Software WordPress, die just mit einer neuen Version ankam, die sich in Sachen Umfang und Funktionalität einigermaßen auf Augenhöhe mit MovableType befand.

Aus diesem Moment heraus bildete sich sehr gerne das Thema des “bösen kommerziellen” MovableType/Six Apart und der bodenständigen, “freien” WordPress-Community.

Ist nicht mehr.

WordPress’ Ende der Unschuld kam gestern mit einem Artikel von Andy Baio auf seinem Blog waxy.org: “WordPress Website’s Search Engine Spam

Andy Baio, MT-Benutzer, schildert darin, dass der “Quasi-Kopf” von WordPress Matt Mullenweg seit geraumer Zeit, vermutlich Anfang Februar, auf der offiziellen Website von WordPress unverlinkte Artikel hinterlegt hat (http://wordpress.org/articles/), die fĂĽr Suchmaschinen und besonders Google AdWord-Programm ausgelegt sind. Z.B. zum Thema Asbest, Versicherung oder Hypotheken (Screenshot auf Waxy.org). Mit anderen Worten: Suchmaschinen-Spamming in Reinkultur.

Wozu das Ganze? Matt Mullenweg, von Andy Baio darauf angesprochen, gab an, damit Geld zu verdienen um die Kosten der WordPress-Community zu decken, wie z.B. das Hosting von wordpress.org, die in der Tat sich weit ĂĽber das MaĂź bewegen mĂĽsstne, was man als Privatmann mal eben spendiert.

[…] Around the beginning of Feburary donations were going down as expenses were ramping up, so it seemed like a good way to cover everything. The adsense on those pages is not ours and I have no idea what they get on it, we just get a flat fee. The money is used just like donations but more specifically it’s been going to the business/trademark expenses so it’s not entirely out of my pocket anymore.

Die Debatte ist bei waxy.org im vollen Gang, 89 Kommentare aktuell. wordpress.org selber ist derzeit anscheinend vom Netz (während des Schreibens wieder zurückgekehrt, ohne ein Wort zur Sache), Google und Yahoo sind dabei die entsprechenden WordPress-Seiten aus dem Index zu nehmen. Matt Mullenweg kann nicht viel dazu sagen, da er inzwischen in Italien weilt. Auch ansonsten, nicht wirklich viel los in der Community.

Jonas M. Luster, einer aus dem Umkreis der in Bälde zu grĂĽndenden “WordPress Inc die kommerzielle WordPress-Lösungen entwickeln will, meldete sich in einem Blogeintrag zu Wort und vollfĂĽhrt einen semantischen Eiertanz um die Frage ob es Spam ist oder nicht. Grosso modo erkennt er die Notwendigkeit an Unkosten zu decken und findet dabei den Weg den Mullenweg gegangen ist, aber nicht wirklich koscher.

Möglicherweise ist es wirklich nur ein “einmaliger” Ausrutscher von Matt Mullenweg, wie Robert Basic im MEX Blog argumentiert.

An der Geschichte sind nun aber mehrere Dinge problematisch.

Ad 1: die Kommunikation. Nun kann man bei einer Open-Source-Community nicht “perfekte” Krisen-PR erwarten, die according DonAlphonso binnen 15 Minuten zuschlagen muss. Aber Andy Baio/waxy.org hat sechs Tage vor seinem Blog-Eintrag mit Matt Mullenweg gesprochen und Mullenweg wusste was kommt. Tatsächlich scheint aber momentan “Frieden auf Erden” zu herrschen. Abgesehen von der derzeit heruntergenommenen wordpress.org-Website (Update: sie ist wieder oben), gibt es kein Mucks von den anderen namhaften WordPress-Mitenwicklern, in der wp-hackers-Mailingliste oder auf wordpress.de. Es scheint als wĂĽrde alles auf die RĂĽckkehr von Matt Mullenweg warten.

Nehme ich noch das Verhalten hinzu bei der Entscheidung “nofollow” in WordPress 1.5 einzubauen ohne auf der Admin-Oberfläche eine Ausschaltoption dafĂĽr zu schaffen, trotz zahlreicher Bitten in Mailinglisten und Supportforen, frage ich mich inwieweit das Wohl und Wehe von WordPress möglicherweise zu sehr auf den Schultern von Matt Mullenweg lastet.

Zumindest J.M. Luster, als Quasi-Vertreter der “WordPress Foundation”, versucht so gut wie es fĂĽr ein Individiuum geht, sich den Fragen zu stellen.

Ad 2: Allem semantischen Eiertanz Jonas M. Luster zum Trotz: dies ist Suchmaschinen-Spamming.Inhalte und die Art und Weise wie sie teilweise per CSS fĂĽr den User, aber nicht fĂĽr Suchmaschinen-Spider versteckt sind. Dieses bewusste, gezielte “Verdrecken” von Suchmaschinen-Indizes halte ich nicht mit den Zielen einer Open-Source-Blog-Software vereinbar.

Ad 3: Obwohl WordPress ein Open-Source-Projekt ist, und mit Open-Source qua Definition auch Transparenz einhergeht, ist das Ganze völlig an der Community vorbei gelaufen. Und dank der mangelnden Kommunikation derzeit, ist auch nicht klar, ob es sich um ein Solo-Projekt von Mullenweg handelt, oder weitere Personen involviert waren.

Ad 4: Das Jonas M. Luster in seiner Argumentation die Trennung zwischen “WordPress Inc.” und wordpress.org betont, schafft mehr Fragen als dass es diese beantwortet. Es stellt sich die Frage nach der Trennung, wem wie was gehört. J.M. Luster beispielsweise “entschuldigt” den Geldbedarf von Matt Mullenweg auch mit dem Ping-O-Matic-Service. Nur: was hat Ping-O-Matic mit WordPress zu tun, auĂźer dass es auch Mullenwegs Ding ist?

Möglicherweise hat Matt Mullenweg nur “den schlechten Weg fĂĽr eine gute Sache” gewählt und das Ganze kann schnell abgehakt werden. Konkreter Schaden scheint nicht entstanden zu sein, Google hat nicht die komplette wordpress.org-Site vom Index genommen.

Die Frage ist wie groĂź der Vertrauensbruch wird und ob Matt Mullenweg in dieser exponierten Stellung als WordPress-Lead-Developer bleiben soll oder will.

Aber vor allem muss die Community nun zusehen, dass in das WordPress-Projekt transparente Strukturen schafft und die Verantwortlichkeiten definiert: was ist in der “WordPress Inc”, was ist privat gefĂĽhrt, was ist Open-Source.

(Danke an Malte fĂĽr den Hinweis)