oder: Ein hochspannender Feldversuch in Frage “Medienkompetenz und Blogger”.

Wenn es mal wieder um die Frage von Vermischung von Werbung, PR und echten Inhalten in Blogs geht, und um die Ziele der Firmen, die so etwas bezahlen, kommt sehr oft das Argument: Es sei nicht weiter schlimm, das würde die Medienkompetenz der Nutzer schon regeln. Egal, was ein Blogger letztlich zu tun bereit ist, am Ende steht immer noch der Konsument, der die freie Entscheidung habe, ob er das lesen will oder nicht.

Nun müsste man demzufolge davon ausgehen, dass der Leser wirklich ein Interesse hat, sich zu überlegen, was und warum er an Information, PR und Lügen vorgesetzt bekommt. Würde das idealistische Weltbild stimmen – nun, dann wäre die Nigeria-Connection längst verhungert, Viagraversender müssten sich von ihren gefälschten Pillen ernähren, das Springer-Hochhaus wäre eine Ruine und manch Blogger müsste sich fragen lassen, ob sein Engagenent in mancher Sache nicht ein klein wenig mit erfickten Umfeldern zu tun hat. Ich persönlich gestehe es jedem Leser zu, ein struktureller Analphabet zu sein, das hat sich stets als wirksamer Schutz gegen Enttäuschungen erwiesen.

Darüber könnte man jetzt trefflich streiten, aber um des lieben Friedens willen hat ein freundliches Geschick unsere Debatte mit der Existenz von Ecato gesegnet, einer Marketingfirma aus Berlin mit Ideen, die hier normalerweise nicht mit freundlichen Worten begleitet werden.

Ecato unterbreitet uns Bloggern ein Angebot: Es gibt da die Firma Medion, und die baut ein Navigationsgerät. Zu diesem Navigationsgerät gibt es eine Website. Die soll man sich anschauen, und dann durch die dabei gewonnenen Erkenntnisse einen Beitrag über das Navigationsgerät schreiben. Man muss das nicht als gesponsorten Beitrag kennzeichnen, aber: Man muss in dem Beitrag ein anderes Blog zum gleichen Thema Medion und die Werbeseite des Projekts verlinken und (wenn nötig manuell) trackbacken. Dann schaltet man einen nicht ganz kleinen Werbebanner, und bekommt für jeden getätigten Click 15 Cent. Und am Ende gibt es auch ein Gewinnspiel. Ecato schreibt (von ein paar kleinen Änderungen abgesehen) unter der aussagekräftigen URL http://www.ecato.com/de/64/bloggen-verdienen-gewinnen/):

Informieren Sie sich unter [Link zur Seite] über die Vorzüge der neuen MEDION “G*Pal”-Serie. Schreiben Sie darüber (!, Anm. d. Red.) einen ehrlichen Beitrag in Ihrem Weblog, der im Titel möglichst “Medion GoPal” enthält. Dabei sind Sie selbstverständlich in Ihrer Meinung frei. Es ist also auch Kritik erwünscht, solange diese nicht rufschädigend oder nicht den Tatsachen entsprechend ist. Der Beitrag kann, aber muss nicht als “Sponsored” gekennzeichnet werden, da wir Sie nicht für das Posting bezahlen. Verweisen Sie dabei auf ein anderes Weblog, das über das gleiche Thema schreibt, und setzen dort einen Trackback. Außerdem verlinken Sie bitte auch “Bloggen, Verdienen, Gewinnen”, womit auch hier bis einschließlich spätestens 30.04.07 ein Trackback gesetzt wird (ggf. auch manuell als Kommentar).

Wenn auch nur ansatzweise was dran ist an der sog. Medienkompetenz, dann dürfte eigentlich völlig klar sein, was das ist: Das Abschreiben von PR ist kein Test oder eine Rezension, es ist lediglich PR. Keiner hat die Möglichkeit, sich in der Realität mit dem Gerät auseinanderzusetzen. Die Verlinkungen dürften lediglich der Googleoptimierung und dem Viral Marketing dienen. Und dass man das Gerät kaum runtermachen wird, wenn man das Geld nur durch Clicks auf das dazugehörende Werbebanner erhält, sollte auch klar sein. Aber nicht lange überlegen, wer zuerst Clicks bringt, bekommt 30 statt 15 Cent. Die aber bei einem Minimum an Medienkompetenz der Leser niemals bezahlt werden dürften. Weil da keiner clickt.

Kurz: Dieses Ding ist alles andere als ein Apell zur Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und publizistischer Verantwortung. Oder noch deutlicher: Nach journalistischen Kriterien wäre es ein eindeutiger Fall für den Presserat. Sowas passiert abzüglich des Googlespams zwar auch im Journalismus, aber es ist zum Glück die negative Ausnahme. Wer auch nur einen Funken Medienkompetenz hat, tut so etwas nicht. Und wer als Leser auch nur einen Funken Medienkompetenz mitbringt, sagt, dass sowas gar nicht geht. Sollte man meinen.

Und was schreibt dann der Blogbote darüber?

Wer auf seinem persönlichen Blog eine Rezension (!) über Medion “G*Pal” (mobile Navigationsgeräte) schreibt

Hm. Etwas verkürzt. Nicht ganz richtig. Zumindest etwas missverständlich. Vorsichtig gesagt. Und jetzt schauen wir hier einfach mal vier Wochen zu. Und reden dann über die Medienkomptenz und Ekelgrenzen in der Blogosphäre.

Edit: Offensichtlich sollte man nie jemandem trauen. Immer den Autor und die Firma googeln. Und dabei stets damit rechnen, dass der Verfasser PRler ist und das Unternehmen generell nicht gerade kritisch sieht.