Eines voraus: Jede generelle Schadenfreude über ein scheinbar drohendes Ende der Bloggerei ist meines Erachtens nicht nur verfrüht, sondern völlig fehl am Platz. Egal, ob 95% der Myblog-Blogs tot sind und alle Corporate Blogs nicht mehr gelesen werden ausser von der Konkurrenz – die Nutzung des Mediums Blog steigt weiter an, und das mit einer Geschwindigkeit, die weit über dem liegt, was traditionelle Medien online oder offline zu bieten haben. Ab und zu hört man auch, Blogs seien sowas von 2006, und 2008 würde kein Hahn mehr danach krähen. Abgesehen davon, dass ich das auch schon 2003, 2004, 2005 und 2006 gehört habe, also gut die Hälfte der Zeit, in der das Internet ein Massenmarkt ist, spricht meines Erachtens einfach die Natur der Menschen dagegen. Menschen wollen sich nicht zutexten lassen, sie wollen zumindest die Möglichkeit haben, mitzureden. Gerade weil Blogs im Vergleich zu klassischen Medien klein und weit verbreitet sind, ist dort das Reden mit dem Blogger und anderen Kommentatoren sehr viel leichter als bei Texten, deren Verfasser mit dem Schreiben ihren Job getan haben. Journalisten tun sich extrem schwer, überhaupt Kommentare zu erlauben und dann noch selbst mit einzusteigen. Das betrifft selbst Vorreiter wie Heise.de, den österreichischen Standard oder Nachzügler wie die Süddeutsche, deren Kommentare, so sie zugelassen werden, a priori schon mal kleiner ausfallen als der Haupttext. Es ist immer noch die Einteilung in “WIR Da Oben, ihr da unten”. Und damit vergrätzt man auch weiterhin den kommunikativen Teil der Leserschaft. Eine Leserschaft, die sich zunehmend an das Recht zum Beitragen gewöhnt hat. Die das Fehlen von Antworten als unhöflich empfindet, egal, ob ein Medium das leisten kann oder nicht. Da ist also ein Lesermarkt und ein Blogangebot – das kommt zusammen, und kein Medium kann und wird das mit den herkömmlichen Methoden ersetzen.

Es sei denn, Blogs werden so schlecht und langweilig wie normale Medien – und damit kommen wir zum eigentlichen Thema. Denn es gibt ein paar neue Fälle von Blogs, die mit grossem Bohei in angebliche “Märkte” getragen wurden und nun mit den Füssen voraus die Blogosphäre verlassen.

Da ist zuerst mal die Bloginitiative Germany, kurz B.I.G.. Die dümmste Idee, die man meines Erachtens in der Blogosphäre haben kann, ist ein Anspruch, der sich in so einem Titel manifestiert. Da quillt Leadership aus jeder Pore, da wollen welche vorn dran sein und das Thema machen, da werden Pflöcke eingeschlagen und Ziele definiert. GANZ GROSS. Ich möchte an dieser Stelle gern zugeben, dass wir das dem Blog zugrunde liegende Buch mit dem Spruch “15 der besten Blogger Deutschlands” beworben haben, was uns damals als “die 15 besten Blogger Deutschlands” angekreidet wurde. Wer solche Behauptungen aufstellt, bekommt automatisch die volle Ladung der Kritik ab, sei es nun eine private Vendetta, der klassische hirnlose Mob oder fundiertes Hinterfragen der Motivation. Das muss man durchstehen und den Beweis antreten, dass die Ansprüche so falsch nicht sind – dann legt sich das, und man wird vielleicht doch das bekannteste deutsche Metablog SO WIE ICH ;-).

Spass beiseite: Es ist nicht tragisch, wenn über einen geredet wird. Das Gerede vom bald kommenden Ende jeglicher Bedeutung des bekannten Bloggers – hier einen beliebigen Namen einsetzen – gehört zu dieser kleinen Welt wie die Erwartung des baldigen Absterbens der Blogs an sich. Ich denke, das Schlimmste, was passieren kann ist, dass man keinen interessiert. Und genau das ist B.I.G. passiert. Der eigene Claim wurde nie auch nur ansatzweise erfüllt:

Die Blog Initiative Germany (BIG) widmet sich der weiteren Entwicklung von Weblogs und der Blogosphere im deutschsprachigen Raum. Die Idee dieses Blogs ist es, das Phänomen rund um Social Software und Weblogs/Blogosphere aus wissenschaftlicher Sicht zu diskutieren.

Nicht, dass es nicht entsprechende Bleiwüsten gegeben hätte – es wurde einfach nicht diskutiert. Kommentare waren trotz Angebot Mangelware. Weil die Autoren und Gründer, nominal 11 an der Zahl, einfach keine Themen und Diuskurse angebracht haben. Noch nicht mal sie selbst haben dort debattiert. Mit solchen uneingelösten Ansprüchen kommt man vielleicht als Berichterstatter auf den Digital Lifestyle Day 2005 – aber man muss sich nicht wundern, wenn zwei Jahre später Blogger nur noch Staffage für die Street Credibility sind. Mehr zu B.I.G. hier und hier.

Noch so eine Idee eines grossspurigen Retortenblogs kommt aus der Richtung des sich selbst als “PR-Blogger” bezeichnenden Klaus Eck. Da kann man schön zeigen, wie das Blogbusiness hinter den Kulissen so läuft. Es beginnt damit, dass auf seinem Blog eine Journalistikstudentin namens Verena Schmunk auftaucht, die dort sehr, sehr freundliche Beiträge über das ein oder andere Business Blog schreibt. Doch dann kommt plötzlich ein neues Blog im Portfolio von Klaus Eck dazu, genannt vashionfictim.de, in dem eine Blondine mit dem Künstlernamen Vee Frankly ihre Vorliebe für Cowboystiefel zelebriert:

Vashion Fictim setzt auf Social Commerce […] Auf dem Modeblog “Vashion Fictim” präsentiert die 24-Jährige angehende Journalistin Vee Frankly täglich ein Bild von ihrem aktuellen Outfit des Tages, das sie in ihrer individuellen Weise beschreibt. Vashion Fictim verzichtet bei ihrer Modepräsentation bewusst auf Hochglanzbilder und Artikel über die neuesten Modetrends aus Paris, Mailand und London. Stattdessen berichtet die deutsche Modebloggerin authentisch über ihre eigenen Erfahrungen mit der Modewelt. […] (Disclaimer: Das Projekt Vashion Fictim wird von mir in Kommunikation und Marketing begleitet.) (http://klauseck.typepad.com/prblogger/2006/09/modeblog.html)

Und dann gehtŽs auch gleich sehr authentisch rund: Der Klaus Eck nicht unbekannte Viral Marketeer Martin ÖOetting nimmt das Thema auf und spamt viralt es auch gleich weiter, namentlich bei Thomas Knüwer, Vee hat scheintŽs nur drauf gewartet, sich selbst auch ins Gespräch zu bringen, wie auch an anderen Orten.

Kann man machen. Nur wäre es gut für die geplante “Kommunikation” und “Marketing”, wenn das Teil nicht nach weniger als drei Monaten Laufzeit gleich wieder totenstill geworden wäre. Keine Ahnung, ob Business Bloggen nicht nur ein anderes Wort für Prekariat ist, jedenfalls hat die Dame jetzt einen anderen Job bei einer Firma namens Trnd, die Leuten irgendwelches Zeug in die Hand drückt, damit die es testen, es idealerwesie toll finden und somit praktisch unentgeltlich den Job der Marktforscher und Marketeers machen. Mit der übrigens wieder Martin ÖOetting zusammenhängt. Da schliesst sich der Kreis unter Zurücklassung einer Blogleiche.

Was ich persönlich wirklich gut finde. Im Ernst, desto mehr von diesen Blogs krepieren, desto niedriger wird der Anteil von Leuten, die das nur tun, weil sie damit irrationale wirtschaftliche Hoffnungen verbinden. Es wird weniger Viraldreck in den Kommentaren geben, weniger grosskotzige Starts irgendwelcher Möchtegern-Posterboys, weniger schwachsinnige Interviews mit ahnungslosen Scharlatanen, sie werden irgendwo anders hingegehen, und wenn sie dort mehr finden als einen prall gefüllten Nachttopf, haben sie dafür auch meinen Segen –

aber hier in der Blogosphäre sind sie meines Erachtens eine Störung. Leider ist es nicht so, dass die Blogosphäre gross genug für beide ist – in der Regel sehen sie Blogger als ihren ersten Markt an, und geben sich alle Mühe, die Medienaufmerksamkeit auf ihre Art der “Bloggerei” zu lenken. Und selbst, wenn es nicht geht – es nervt. Wie die Werbung im Spielfilm, wie das Pop-up auf der Website, wie der besoffene Grapscher in der U-Bahn, wie der picklige Depp, der eine Frau anlallt, mit der man sich gerade gut unterhält. Und sich dann wundern, wenn man ihnen nichts abkauft.

Das ist es, was jetzt gerade mitsamt dem zugehörigen Hype-Johurnalismus den Bach runter geht. Und das ist grossartig.