In den letzten Monaten gab es bemerkenswert viele Einlassungen zum Thema Internet im Allgemeinen und Blogs im Besonderen. Neben den typischen SPON-Herrschaften, die Blogs immer noch aus der Gutsherrenperspektive betrachten, egal aus welchem Schlamm im Schweinekoben sie selbst gerade kommen, melden sich auch vergessene D-Promis von ihrem Weg zum äussersten rechten Rand zu Wort, wie auch im besonderen Masse gewisse ältere und jüngere Leute der Süddeutschen Zeitung. Verlinken auf Blogs und andere Internetquellen bekommen sie reihum noch immer nicht hin. Wenn man mit Printleuten spricht, kommt ab und zu auch das Thema Lyssa zur Sprache und die Hoffnung, dass sie mit Westeins scheitert, dann ist man sie und das ganze moderne, irrelevante Internet und seinen Schund wieder los.

Sagen Leute wie die, die ihre eigenen Artikel nachher zurechtfälschen oder sich feige aus Problemen ihrer Häuser rausreden. Und eben Leute, die ihre “Qualität” nur hinter den Mauern des E-Paper ins Internet lassen – und dabei vergessen, dass der beste Artikel der Welt nichts wert ist, wenn ihn keiner liest. Sie versuchen es im Internet durchgehend mit der Verknappung von Inhalten, mit den Resten der Nachrichtenwelt, die den Lesern in die Online-Schweinekoben gekippt werden, und am liebsten wäre es ihnen, die Lesersäue würden die user generated Ausscheidungen fressen, die aus anderen Leserschweinen hinten rauskommen, solange sie sich nur brav bei ihnen schlachten lassen. Aber alles, was ausserhalb entsteht, ist in ihren Augen böse, Schund, fragwürdig, ganz so, als hätten sie die letzten Jahre seit dem Ende ihrer New Economy unter einem Stein verbracht.

Was mir bei diesen ganzen Rempeleien so auf die Nerven geht: Es ist ja nicht so, dass sie es nicht selbst versucht hätten. Die Süddeutsche Zeitung wollte “Schnell and Schmutzig” bloggen, der D-Promi wäre mit seiner Achse des Guten gern die deutsche Oriana Fallaci mit deren Bestsellern geworden, der Tagesspiegel hat seine Müllhalde halbtoter Blogs, und so richtig prima laufen die gehaltslosen Nettigkeiten von Katrin bei des Spiegels Videopalaver Ehrensenf auch nicht mehr. All die Gralshüter des Guten und Wahren wären gern selbst so ein wenig unseriös. Sie würden gerne mitspielen, oder besser: Sie hätten gern eine Fanbase in den Kommentaren, die Klicks und Verehrung bekommen. Es hat nicht funktioniert, also treten wir nach einer kurzen Phase der Annäherung wieder in eine Konfliktsituation ein. So ein Saddam-Video, egal was die Quelle war, kommt da gerade recht.

Sie haben es weitgehend noch immer nicht begriffen: Vertikale, undurchlässige Portale sind tot. Man kann Medien nicht mehr betreiben, indem man ständig in der Defensive ist. Defensive bringt einen nicht voran, egal wie schön das Layout ist und wie durchdacht die navigation. Sie können vielleicht verhindern, dass die Leser draussen Informationen finden, indem sie nicht linken, aber die Situation ist für alle Beteiligten schlecht, für die Leser, für die Quelle, und letztlich auch für die Mastodone wie den Schreiberling bei der “Welt”, der hier alle Erkenntnisse zu StudiVZ abgeschrieben hat, ohne auch nur die Quelle zu benennen. Die, die es interessiert, kommen trotzdem hierher. Es verlangsamt vielleicht den Niedergang der Medien auf kurze Sicht, aber es macht sie keinen Jota attraktiver oder besser. Wenn heute gesagt wird “Online first”, bedeutet das eigentlich das Gegenteil: “Unser eingemauerter Teil des Internets zuerst”. Da gehen die Investitionen rein, aber die Idee ist die gleiche wie beim UMTS der Mobilfunker: Ein eigenes Eck zu haben und ein Monopol auf die Leser. Beim regulierten Mobilfunk geht das noch – mit der Folge, dass sich eine Gestalt wie Frau v+z Salm als Heilsbringerin feiern lässt, weil sie flipsige WLAN-Kisten aus China mit fragwürdigen Methoden unters Volk bringt. Im Internet sind wir glücklicherweise weiter, da muss keiner mehr auf Gründerinnen von Hirnlossendern hoffen, und auch nicht auf Gestalter von Hirnlosmedien.

Würden sie das Ernst meinen mit Online first, und sollten sie der Seuche wirklich begegnen wollen, müssen sie zwei Dinge akzeptieren:

1. Vor dem Internet ist alles und jeder erst mal ganz, ganz klein; grösser wird man nur durch Vernetzung und Dialog. Aber keinesfalls durch Dialogverweigerung und Zurückhalten von der Information, auf der Dialog aufsetzt. Dialog zieht Menschen an. Dialog sucht sich seinen Weg. Irgendwo findet er statt. Wenn nicht bei den Medien, dann wo anders. Sollte man als Tausenderkontaktpreisjunkie eigentlich wissen.

2. Das Internet ist so unschön wie die Menschen, die es besuchen, nicht mehr, nicht weniger. Jeder Zeitungsmensch, der sein Brot dank der Inseraten von Prostituierten, der Bundesregierung und gieriger Megakonzerne frisst, sollte das wissen. Wer sich über das Internet wegen Hinrichtungsvideos aufregt, sollte keine Anzeigen von Firmen mehr nehmen, die von Todesschwadronen profitieren, mit Diktatoren und Mördern Handel treiben und bestechen, wo es nur geht, egal wie viele Leute in Folge dessen zwischen dem Drei-Schluchten-Staudamm und dem Nigerdelta krepieren. Genauso wenig wie StudiVZ seine Stalker raussschmeisst, würden bei einer Zeitung Abos gekündigt, wenn ein Schwein in Thailand Kinder schändet auf einer Reise, deren Anzeige er in der Zeitung fand. Es gibt da keinen absolut richtigen Weg, man sollte sich immer klar sein, dass es bestenfalls Grau wird, dass das Ziel kein Weiss sein kann, sondern nicht Schwarz sein darf. Die einzige Lösung, die mir da einfällt, ist: Dagegen halten. Wenn das Internet voller schlechter Dinge ist, dann liegt das nicht nur an denen, die es reintun, sondern auch an denen, die das Bessere wegsperren. Genau das aber ist E-Paper und Pay Content.

Also, wenn es im Internet ein Problem gibt, Freunde in den Medien: Ihr seid eingeladen, hier draussen mitzuarbeiten. Mitarbeiten heisst: Ihr seid nicht mehr die Generäle und wir nicht mehr das Kanonenfutter. Zeigt, was Ihr drauf habt. Und wenn Ihr es nicht auf die Reihe bekommt, gibt es in Bayern einen guten Spruch für Euch, der perfekt auf diese ewige Nacht über dem Netz mit all seinem Schönen und Schlimmen passt:

A Guada hoids aus und um an Schlechdn is ned schod.