Wie wäre es mal mit ein wenig mehr Gelassenheit, wenn mal wieder jemand wie Lars Cords von der PR-Agentur Fischer Appelt Blogs nicht so richtig mag? Ich habe mit dem hier angesprochenen Herren ja auch schon massiv die Klingen gekreuzt, aber im obigen Fall hat er ein paar unangenehme Wahrheiten angesprochen, die unter Cords beim Media Coffe getätigten 99,99%-Müll-Aussage für Blogs verborgen sind. Und dass sich jetzt besonders das Beraterklientel von Burda über Sinnerschrader bishin zu den üblichen freien Consult-Scharlatane daran abarbeitet, zeigt meines Erachtens deutlich, wie Cords an die Urängste dieser Zielgruppe apelliert hat. Denn Cords negiert mit seiner Absage an den von vielen getragenen Dialog mit den Kunden das Erlösmodell eben der jetzt jaulenden Gruppe.

Und es ist durchaus bezeichnend, wenn ausgerechnet aus dem Hause einer anderen PR-Agentur, nämlich von SinnerSchrader in Form von Herrn Pohlmann die Aussage kommt: “wir sind Kunde, Konsument, Zielgruppe und Meinungsmacher.” Der Herr übersieht da eine Kleinigkeit. Kann schon sein, dass ich als User das alles bin, aber er als Anbieter ist zusätzlich der Büttel einer Firma, und beide wollen letztlich etwas von mir, Geld, Kundenbeziehungen, geldwerte Vorteile. Dass jemand wie Pohlmann dabei einen auf “Wir”-Gefühl macht, ist ebenso folgerichtig wie unanständig. Und obendrein nicht wirklich klug.

Die Grundprobleme sind doch, dass selbst unter Pohlmanns Wir a) kaum jemand ernsthaft behaupten kann, mit dem Hersteller irgendwelchen Geräts gross reden zu wollen und b) das Genöle der Nutzer jetzt auch nicht gerade Unternehmer froh macht, wenn es dann auch noch schweineteuer ist. Was es aber zwangsläufig erst mal wird, wenn man zusätzliche Kommunikationskanäle aufmacht. Und dass Leute in der Regel nur reden, wenn ihnen was nicht passt, ist eine Binsenweisheit der zwischenmenschlichen Kommunikation, egal was im von Marc Pohlmann und anderen hochgehaltenen Cluetrain Manifest steht.

Manchmal habe ich den Eindruck, da leben welche in einer Blase, in der das Cluetrain Manifesto das Glaubensbekenntnis ist. Bloggen und gewisse Entwicklungen in Communities, von denen die Macher des Manifests nichts wissen konnten, als sie es geschrieben haben, passen heute zufällig in das Manifest mit seinen Dialogvisionen, wenn man nicht genau hinschaut. Mich erinnert das alles an die Deppen, die um das Jahr 1000 herum alle möglichen Ereignisse passend zur Apokalypse des Johannes uminterpretiert haben. Oder an die Machthaber im Warschauer Pakt, die sich tatsächlich beim Blick auf die Fünf-Jahres-Pläne im Einklang mit Marx Vorstellungen vom erreichten Kommunismus wähnten.

Manche bloggen halt irgendwas, aber das hat meist nichts mit Konsum oder Meinungsmache zu tun – man lese nur mal bei Myblog. Die paar Leute, die – kritisch oder begeistert – über solche Effekte debattieren, sind exorbitante Ausnahmen, es ist eine rein akademische Veranstaltung. Was natürlich nichts an einem der wichtigsten Auslöser ändert, dass sich die Kommunikation von den Medien wegverlagert, aber die Medien und Werbung und PR-Agenturen haben nun mal kein garantiertes Recht auf Kommunikation mit allem und jeden.

In Herrn Pohmanns Bitte an Andersdenkende, doch bitte wegzugehen und ihre Cluetrain-Kreise nicht mehr zu stören, sehe ich jedenfalls eine Menge Unlust, sich mal vom bekannten Denkschema des Cluetrain Manifests zu entfernen. Wie ironisch seine Vorstellung ist, merkt er vielleicht selbst nicht:

Eine Bitte an alle potentiellen Besucher dieses Kongresses: Hört auf, die zu beleidigen, die sich um eure Bedenken nicht scheren.

Zusammen mit der Unterstellung, Kritiker würden Angst um ihre Biographien und Kontrollverluste haben, eigentlich ein Witz, denn genau das ist Diskussionsverweigerung. Wenn Pohlmann schon so toll Web2.0 kann, wäre es doch eine prima Gelegenheit zu beweisen, dass er es kann – indem er selbst Dialog macht und erklärt, was sein Dialog werden soll: Etwas anderes Wohlfühldiktatur einer totalitären Wirs, das von neuen, teuer bezahlten Kontrollfreaks aus dem Hause SinnerSchrader vorgegeben wird, bis der beauftragende Unternehmer mangels Erfolg den Stecker zieht?

Bislang sehe ich da nämlich nicht mehr als zwei recht erfolglos rumstöpselnde PR-Agenturen, die sich für die Kundschaft aufplustern. Nix WIR. Zum Glück.