Blogs, Podcasts und Mediencommunities wie Youtube oder Flickr produzieren Kultur – sagen die einen. Die anderen sehen nur Inhalte, neudeutsch Content, der da kostenlos im Netz rumschwirrt. Zweitere versuchen mitunter, diesen Content zu stehlen, per RSS abzusaugen, in ihre Projekte zu integrieren: News Frankfurt, Blogbox, Welt, Archiv-Blog sind nur einige Beispiele einer langen Reihe von mehr oder weniger obskuren Gestalten und Firmen, die glauben, sie könnten das einfach greifen, und wenn es jemandem nicht passt, soll er halt klagen. In solchen Fällen hilft zuverlässig das Schreiben einer Rechnung.

Dann gibt es noch, sagen wir mal, graue Anbieter. Das Projekt “Mindestens Haltbar” der Wiener Agentur Knallgrau zum Beispiel. Knallgrau, die jüngst den bekannten Brausecontainer mit den unsäglichen AGBs organisiert haben, hatten mich auch mal gefragt, einen Artikel zu schreiben, was ich auch gemacht habe – unentgeltlich. Mein Fehler, denn eigentlich hätte ich vorher etwas recherchieren sollen, warum Knallgrau dieses Projekt aufgezogen hat, Stichwort Showcase für Kunden. So eine Art Bloggerportfolio. Das haben andere übrigens auch, nur eben nicht öffentlich. Es ist, wie gesagt, eine Grauzone zwischen Ausbeutung, sozialen Kontakten, Bloggerhauthandel und den unvermeidlichen Oooopsies, wenn das schief läuft. Was mitunter einfach daran liegen könnte, dass sich in den Blogs massenhaft erbärmliche Scharlatane rumtreiben, die vielleicht ein Blog aufsetzen können, aber von Marketing doch nicht so den Peil haben, wie sie immer tun. Zum Beispiel Telefonmarketingfritzen, die ihre Firma kostengünstigst als englische LTd. anmelden und sich anheischig machen, für 60.000 Euro unauffälliges Blogmarketing zu betreiben (Repliken auf solche “Unternehmer” hier und hier).

Mitspielen beim grossen AAL-Spiel, Andere Arbeiten Lassen, will wohl auch eine Zeitschrift aus dem Hause Burda, die sich bei der Photocommunity Flickr so anpreist:

MAX ist Deutschlands Trendmagazin Nr. 1. Jeden Monat gibt es die neuesten Trends aus Kunst, Kultur, Musik, Technik, Film, Literatur, Design, Architektur und Fashion. Seit 15 Jahren ist MAX der “Visual Leader” im Bereich Fotografie. Mit der “Flickr MAX Magazine Group” suchen wir nach neuen Talenten, nach frischen Ideen, ausgefallenen, schönen, skurrilen und lustigen Bildern. Und jeden Monat präsentiert MAX im Heft die Highlights dieser Group. Hier könnt ihr noch einmal die ausgewählten Bilder sehen und euch fragen “Can i beat`em?!”:

Klasse Idee, den Leuten zu sagen, sie sollen zeigen, ob sie die anderen schlagen können, wenn sie ein ganzer Kerl sind. Passend zu einer Tittenpostille für halbglatzige geleaste-SLK200-Blechdachweicheier, die ich persönlich am ehesten mit MAX verbinden würde – so zumindest sieht das Pack aus, dem es in der Maxvostadt nicht zu peinlich ist, sowas auf dem Kaffeetisch liegen zu haben. Der “Visual Leader” nun will Photos, und ist höflich genug, auch bei anderen Flickrmitgliedern einfach mal so zu fragen. Sie wollen für ein mehrseitiges Flickr-Portfolio das Bild, die Nutzungsrechte sowieso, das Mitglied soll auch noch was dazu schreiben, die Resonanz sei jedenfalls gut. Was dann im Satz mündet:

P.S. Die vielleicht wichtigste Frage zum Schluss: Wir können leider kein Fotohonorar bezahlen. Aber jeder Flickr-Fotograf wird namentlich genannt, bekommt also einen Credit. Und eine MAX-Ausgabe gibt’s natürlich per Post.

Hallo? Ein gigantischer Medienkonzern mit satten Gewinnen wie Burda will mehrere Seiten Hochglanz kostenlos mit Bildern füllen, die Leute sollen selber was schreiben, für einen Credit? Ich verstehe ja, dass man nicht auf die hauseigene Focus-Bildcommunity zurückgreift, die so “grandios” läuft, dass man inzwischen die Liste der aktivsten User nicht mehr zu den Karteileichen durchclicken kann – das geht nur noch mit einem gewissen Trick in der URL-Zeile. Manche Mitglieder, deren “Rechte” dann bei Focus landen, zeigen per so schon mitunter eine gewisse Leidenschaft für Bildübernahmen aus dem Internet. Obwohl, das Abgreifen kostenloser Photos hat bei Burda durchaus Tradition.

Die Antworten bei Flickr jedenfalls ist schön deutlich:

Wie Sie schon selbst ganz richtig bemerkt haben, kommen Sie erst ganz am Ende unter P.S. zur “vielleicht wichtigsten Frage” und geben unverblümt die Antwort, dass Sie nicht gewillt sind für Fotos, die Ihnen gefallen, ein Fotohonorar zu zahlen. MAX ist ein kommerzielles Produkt, für das die Leser am Kiosk oder im Abo zahlen müssen und so Einnahmen generiert werden. Fotografen – ganz gleich ob Amateure oder Professionelle aus dem Flickr-Umfeld einbinden zu wollen und mit einem Kurzporträt und einer absolut selbstverständlichen Namensnennung zu “entlohnen”, halte ich für verfehlt und gräbt beispielsweisen Freien Fotografen, die ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf ihrer Bilder bestreiten müssen, zusätzlich das Wasser ab. Das kann und werde ich in diesem Fall nicht unterstützen. Außerdem würden Sie sich freuen, wenn Sie zu dem für Sie honorarfreien Foto auch noch ein “paar Zeilen” geliefert bekommen. Sie bitten also vor dem Hintergrund, dass eine Veröffentlichung nicht gesichert ist, außerdem um “ehrenamtliche” Arbeit. Ja, wo sind wir denn?

Wir sind hier am Ende des AAL-Prinzips. Es wird sicher noch weitere Versuche geben, die Kosten für Journalismus zu senken und eine Leserbindung durch Ranschleimen zu generieren, aber dieses System hat Grenzen. Wer gut ist, kennt den Wert der eigenen Arbeit. Flickr brauchen MAX nicht, MAX meint, Flickr zu brauchen. Die Regeln haben sich geändert. Wer schlecht ist und dumm, macht vielleicht gerne mit – aber das ist schlecht für die Zeitung. Auch wenn man ein paar Euro spart, die Burda dann in die nächste User-generated-Content-Geschichte steckt. So billig und willig, wie manche Scharlatane vielleicht planen, ist das Netz dann doch nicht.