Diese Frage könnte man mal stellen, wenn man sich diese Debatte bei IT&W anschaut. Kurzfassung: Der Autor Majo hat einen finalen Aspekt des neuen Harry-P.-Buches verraten, und eine Reihe von Lesern teilten ihm mit, dass sie ihn jetzt aus ihren Bookmarks und Kurzschwa RSS-Readern schmeissen würden. Majo hält sich an den Grundsatz, dass man Reisende nicht aufhalten soll, und gibt ihnen noch ein paar nette Worte mit auf den Weg.

Das Problem in solchen Fällen ist weniger, dass die Leser sich wirklich empört vom Acker machen – vielmehr zeigt die Erfahrung, dass derartige Leute trotz vollmundiger Ankündigung trotzdem weiterlesen, allein schon um zu schauen, wie sich das alles weiterentwickelt, und dann oft unter gefaketem Namen weitermachen. Es ist ähnlich wie bei Spiegel Online, den viele Blogger über weite Strecken für Infosondermüll halten, aber trotzdem weiter lesen, um sich weiter darüber aufregen zu können.

Der Spiegel lebt blendend von diesem Verhalten – was die Leser “da unten” denken, spielt für die Reichweite und die Klickzahlen keine Rolle. Im Gegenteil, wenn ein Blogger darauf verlinkt und zeigt, was für inkompetentes Geschwätz diesmal wieder verbreitet wird, bekommt der Spiegel eben nochmal ein paar Dutzend oder Hundert Visitors. Beim Bloggen mit offenen Kommentaren ist das anders – durch die Kommunikation auf Augenhöhe mit dem Leser ist es eben nicht egal, was die Leser denken oder ohne grosses Nachdenken in die Kommentare schleimen und kotzen. Bei grösseren Blogs wie IT&W oder auch diesem hier kommt es dann hin und wieder zu Aufläufen dieses Lesermülls mit ganz erstaunlichen soziokulturellen Phänomenen.

Es liesse sich trefflich darüber streiten, ob das allein den tatsächlichen oder so empfundenen provokativen Ansätzen eines Blogs geschuldet ist, oder ob der Lesermüll nicht, was ich nach einigen sehr unterschiedlichen Projekten sagen würde, eine unvermeidliche Begleiterscheinung jedes halbwegs oft gelesenen Blogs ist. Demzufolge sammelt sich analog zum realen Leben um die grösseren Blogs eine schwer einzuschätzende Gruppe Leser an, die sehr eigenwillig reagieren. Der eine bekommt einen Kommentar in den falschen Hals, der andere findet es ungerecht, dass auf seine Kommentare nicht beantwortet werdeb, der dritte sonnt sich im Glauben, er sei schon fast ein Vice-President des Chefbloggers. Und dann kommt eben der Funke, der Schlagabtausch, durch den sich dann zeigt, wieviel Lesermüll sich angesammelt hat.

Und es ist, das zeigen manche Kommentare bei IT&W, tatsächlich Müll: Leute mit unverschämter Erwartungshaltung, Leute, die bedient werden wollen, Leute, die die gleiche Augenhöhe verwechseln mit ihrem Recht, ihrem “Contentsklaven” bei Unzufriedenheit zu züchtigen. One-Way-Rezipienten, die Blogs mit der Glotze verwechseln und nur dann jammern, wenn sie ihre kostbare Onlinezeit ohne Benefit verschwenden. Die Offenheit und persönliche Nähe von Blogs werden überstrapaziert und missbraucht, die Anonymität des Netzes macht in Kombination mit der Öffentlichkeit der Kommentare eine Feinabstimmung des Verhältnisses Leser-Autor so gut wie unmöglich. Die Kommunikation ist asymetrisch: Für den Leser ist es eine Kommunikation mit einem Autor, für den Autor ist es aber eine Kommunikation mit vielen Lesern, und das kann nicht gut gehen, wenn Konflikte entstehen.

Es gibt kaum gute Lösungen für das Problem – ideal wäre natürlich eine Leserschaft mit geringem Müllanteil, was beim Wachstum und der Veränderung von Blogs aber eher schwer zu gestalten ist. Wer als Blogger nicht “Everybodies Darling” werden will, wer sich vom Mainstream der Leser in seiner Agenda nicht gängeln lassen möchte, wird wohl nicht drum rum kommen, immer mal wieder den Lesermüll zu runterzutragen. Man könnte das Zensur nennen, oder Angst um den Traffic haben – aber nach meiner Meinung ist das am Besten mit dem Idioten zu vergleichen, der im Kino die ganze Zeit den Film laut und abfällig kommentiert. Nach dem 10. Mal hat es jeder kapiert, dass es ihm nicht passt, er nervt, er belästigt, aber man kann ihn auch nicht ignorieren und kaum rausschmeissen. Im Blog geht das. Und die Erfahrung zeigt auch, dass der allergrösste Teil der Leser danach eigentlich sehr zufrieden ist, dass der Lesermüll weg ist. Was noch lange n icht heisst, dass der Rest dann nur aus willenlosen Kriechern besteht. Man kann einen Film auch schlecht finden, ohne sich darüber lautstark aufzuführen.