Die Dauergäste dieses Blogs wissen, dass ich nicht unbedingt ein Freund all des kruden Geschwätzes sogenannter “Marketing-” oder “PR-Spezialisten” bin, das seit ein paar Monaten über die deutsche Blogosphäre hereingebrochen ist. Da versuchen mitunter reichlich obskure Dotcom-Versager, ihre alten Flops an der noch zarten Pflanze der deutschen Blogs zu wiederholen, da muss alles irgendwie verwertet, vermarktet und profitabel gemacht werden. Diese kleine, nicht zwingend feine Szene der Möchtegern-Profiteure hat sich in Ermangelung eigenständiger Ideen ein paar US-amerikanische Abgötter gesucht, die ebenfalls gebetsmühlenartig behaupten, Blogs wären was ganz tolles und überall super erfolgreich, wo sie selbst gerade Blogdienstleistungen anbieten.

Steve Rubel gehört als nicht unbedeutender PR-Mensch berufsbedingt zu diesen Schreihälsen, aber bei ihm habe ich oft den Verdacht, dass oberhalb von Mund und Stimmbändern auch noch eine Steuerung derselben sitzt, die man als “Gehirn” bezeichnet. Rubel nun breitet sich in schöner Regelmässigkeit darüber aus, wie Werbefritzen, PR-Leute und Blogger zusammen kommen können, und er tut es auf eine Art und Weise, die den Bloggern sowas wie Persönlichkeit, Charakter, Witz, Meinung und Seele zugesteht. Sein neuester Beitrag gibt mal wieder die üblichen Tipps, wie man Blogger für sich einnehmen sollte: Umschmeicheln, bemustern, informieren, sich ihren Wünschen anpassen, sie nicht als reine Werbeplattformen zu sehen, sondern als Leute, die eigenständig und glaubwürdig sind, aber gern noch nebenbei ein paar Dollar mitnehmen; bisweilen auch eher unsaubere Geschichten wie die Vermischung von Werbung und redaktionellen Inhalten. Örgs – wo war nochmal der kotzende Smiley?

Was er aber auch sagt, ist ein Satz, der mir gefällt: Treat them like Rock Stars. Er analysiert Blogger und ihre Leserschaft damit ziemlich treffend, ähnlich wie Hubert Burda das mit seinem Jam Session Vergleich getan hat. Denn dieses Rockstar-Gefühl habe ich manchmal, wenn ich bei IT&W (ACDC) im Publikum bin, oder bei Don Dahlmann (Frank Zappa), Hendrix Faber, oder bei der Meisterköchin (Gianna Nannini), und irgendwo hoffe ich natürlich auch, dass wir hier für manche als die jungen Beastie Boys durchgehen. You gotta fight BAMM BAMM for your right BAMM BAMM to PAAAARTYYYY!

Und das ist dann aber auch der Punkt, bei dem ich Rubel nicht folgen kann. Denn was Rubel sagt ist: Spielt ihr mal euer Konzert, liebe Blogrocker, wir, das Merchandising Team sagen Euch, was ihr in den Pausen so an Kaufanweisungen zu sagen habt. Kaufanweisungen nicht für Eure T-Shirts und Tassen, nein nein, sondern für unsere Notebooks und MP3-Player. Hallo? Ich mein, was kaufe ich von einer Band, die ich mag? Ihre Platten oder das Zeug ihrer Marketingstrategen? Gebe ich wirklich 100 Euro gerne für irgendwelchen Krempel aus, weil ich denke, dass der Blogger 1 Euro davon abbekommt?

Tu ich nicht. Das heisst, man müsste das Verhältnis umdrehen. Nicht mehr Rockstar XY irgendwelches Zeug aufzwingen, das Werbefritzen gerade vertreten. Sondern warten, bis sich aus den verschiedenen Studiomusikern eine Band gebildet hat, die deren Kontext die Werbung passt. Das geht durchaus, wie man am Beispiel von engadget.com sieht. Aber es geht auch nur, weil auf der Bühne mit Steve Rojas genau so ein Rockstar steht, der unbestechlich sein Zeug spielt, eine Rampensau, bei der man immer den Eindruck hat, dass er es für das Publikum macht, der singt, was er fühlt. Klare Trennung vom Geschäft. So könnte das klappen, wenn…

Wenn, ja, und das ist das nächste Problem: Wenn die Werbewirtschaft mit den Allüren der Rockstars fertig wird. Denn so ein Rockstar verhält sich anders als das Sumpfonieorchester der klassischen Medien mit seinen egomanen Dirigenten, den ersten und zweiten Arschgeigern und den Bläsern in der vierten Reihe. So ein Rockstar säuft manchmal, zertrümmert Hotelsuiten, hat Schaffenskrisen, leidet, versagt, man weiss nie, was bei ihm als nächstes kommt, und genau dafür liebt man ihn. Er zertrümmert die Gitarre – geil. Er schüttet Bier ins Publikum- super. Er lässt sich das Maul nicht verbieten – Yeah. Er ist das, wovor uns unsere Medien, unsere Ausbilder und Journalistikprofessoren immer gewarnt haben, den Medienwächtern fällt das Gebiss aus dem Mund, wenn er loslegt, und genauso will ihn das Publikum. Den echten Rebellen, der anders ist.

So jemand ist die Hölle für alle, die Werbung mit ihm betreiben wollen. Die werden jeden morgen den Rechner booten und zittern, was der Bogger heute Nacht wieder über Bill Gates gesagt hat. Oder er hat mal wieder BitTorrent verlinkt. Was nicht heisst, dass es nicht im Endeffekt eine gelungene Sache sein kann, wenn die Glaubwürdigkeit und die Integrität des Rockstars nicht angefasst wird. Wenn es ordentliches Geld für ordentliche Arbeit gibt. Wenn das Publikum nicht verarscht wird. Rockstars. Yeah. Echte Boomtown Rats. Was ganz anderes als die verfickten, gestylten Boygroups, auf die Marketingfritzen so stehen.