Disclaimer: Nein. Auch ohne ihn persönlich zu kennen, konnte ich Loic Le Meur, Euopa-Boss der hier oft schon besprochenen und mir wegen diverser Vorfälle wenig sympathischen Firma Six Apart (Movable Type, Livejournal, Typepad), nicht leiden. Ich habe eine lange Erfahrung mit diesen Typen, inzwischen vertraue ich da einfach meinem Gefühl, und das Gefühl ist schlecht. Ein Versuch meinerseits, zwischendrin mit der Firma Six Apart im Rahmen eines Print-Beitrags ins Gespräch zu kommen, wurde von einem anderen Mitarbeiter angenommen, und benutzt, um eine glatte Lüge abzusetzen, die dann als Statement in den Beitrag gelangt ist. Es war deren Lüge, aber mein Fehler. Das als Vorbemerkung, damit sich jeder weiss, woran er hier ist.

Die Geschichte vom Ende des Web2.0 geht in Kurzform so:
1. Loic Le Meur lädt für den Dezember 2006 nach Paris zur Konferenz Le Web 3.0. Vorgänger war die von ihm ausgerichtete Konferenz Les Blogs 2.0, die schon etwas Schlagseite bekam, als die Six Apart Chefin Mena Trott einen Kritiker vor 400 Besuchern mit dem Wort “asshole” belegte. Grosse Wellen, Entschuldigungen, und sicher auch Lerneffekte bei den Veranstaltern.
2. Die Teilnehmerliste für Le Web 3.0 füllt sich auch dieses Jahr wieder mit illustren Gästen – aber auch mit Leuten, die weniger mit Blogs als vielmehr deren Vermarktung und Kommerzialisierung am Hut haben: Berater, mitunter wenig gut beleumundete VCs, und die üblichen, wohlbekannten Scharlatane der diversen Agenturen (dass ich die nicht mag, müsste vielleicht auch noch in den Disclaimer). Insgesamt fast 1000.
3. Die erleben zusammenbrechende WLAN-Verbindungen, Gäste, die den Mund nicht aufbekommen, VC-Pitches und überhaupt viel, was irgendwie nicht mehr so viel mit Blogs zu tun hat. Begeisterungsstürme bleiben aus, der Event scheint zu einem Schaulaufen der Grossen mit altbekannten Thesen zu werden.
4. Loic Le Meur schmeisst am zweiten Tag das Programm um und lässt statt Blogger lieber Politiker wie den Hardliner Nicolas “Vorstädte kärchern” Sarkozy ran. Kommt nicht gut, das Publikum protestiert und wendet sich grösstenteils verärgert ab.
5. Sam Sethi, Autor des Blogs Techcrunch.co.uk (ein Ableger der glleichnamigen kommerziellen amerikanischen Nachrichtensite), wagt es, Kritik an diesen Problemen zu äussern.
6. Loic Le Meur macht deshalb die Mena Trott und nennt Sethi in einem Kommentar “asshole”, was so einiges über die Unternehmenskultur bei Sux Apart vermuten lässt.
7. Techchrunch-Boss und Leweb3-Medienpartner Arrington löscht den Kommentar, rüffelt erst Sethi und schmeisst ihn dann wegen Insubordination raus, das Blog wird dicht gemacht, und Mike Butcher, ein weiterer Autor sagt Ade. Hier Arrington, Sethi, Butcher.
7. Bis heute keine Entschuldigung von Loic Le Meur. Orkan in der Blogosphäre. Wo man sich gestern noch auf Schultern klopfte, sticht man heute mit Dolchen.

Mein Bauchgefühl ist diesmal einer der tiefen Dankbarkeit. Dankbarkeit für Leute wie Le Meur und Arrington und viele andere, die den Weg in ein Geschäft auf Teufel komm raus gehen wollen. Die sich dabei einen Dreck um das scheren, was man sonst von ihnen denkt. Ich glaube nicht, dass sie die Blogosphäre verraten haben, wie das mitunter zu lesen ist. Sie vollziehen eine gewaltsame Trennung von Bloggern und Unternehmern mit Blogs. Und zeigen dabei, dass die Lektionen der letzten Jahre vollkommen vergebens waren. Wenn diese Leute das neue Web repräsentieren, dann muss mir mal wer erklären, was es bitte von den psychisch gestörten CEO-Phantasien der New Economy oder von der klassischen, harten Sklaventreibermentalität der Old Economy unterscheidet. Die Benutzung einer kastrierten Contentsoftware namens Blogs?

Veteranen der ersten Welle zwischen 1999 und 2001 werden wegen der hier kritisierten Petitessen nur lächeln können. So ist das nun mal, wenn man erste politische, publizistische und wirtschaftliche Macht bekommt. Da laufen dann die Politiker auf und die Scharaltane, und wollen auf die Podien. Und es finden sich immer mehr als genug Entrepreneure, die mitspielen, für einen Kontakt, ein Gespräch und ein Photo. Ungeschminkte Wahrheiten stören da nur, Arschkriecher findet man genug in den anwesenden PR-Agenturen. Das ganze wird sich selbst regeln und sich abheben vom normalen Bloggervolk. Ich glaube nicht, dass sich ein Le Meur daran stört, wenn nächstes Jahr nur noch 400 “Entscheider” und 50 Alibiblogger aufkreuzen, Hauptsache das Bild in der Öffentlichkeit passt. Umgekehrt gehe ich nicht von allgemeiner Trauer unter der grossen Masse der üblichen Blogger aus, wenn sich diese Gruppe absondert und ihr Ding macht. Ein paar werden in beiden Welten hängen, sicher kein lustiger Job, aber hey, wer meint, dass er sich das geben muss…

Bleibt die Frage, ob es trägt. Und da habe ich enorme Zweifel. Zumindest in unserem Sprachraum. Da sind die entsprechenden Events nämlich eher Ladenhüter. mcm Web2.0 in St. Gallen: Mau, sehr mau, massenhaft Trommelei bei den Journalisten, doch bitte die Reihen zu füllen. Chance Web2.0: Trotz verlängertem Frühbucherrabatt massenhaft nicht zahlende Blogger. CScout in der BLM in München: In letzter Minute Wild Cards für Blogger, auch die erste Runde war schon kein Hit. Und die hier versuchen es schon wieder. Da löst sich Web2.0 in der Business-Ausführung von der Bloggerei. Der “Digital Lifestyle Day” bei Herrn Burda dürfte im Januar natürlich voll werden – wennŽs nichts kostet, kommen alle Scharlatane, Ex-Pleitiers und sonstige Buffetprasser (mit Ausnahme eines Gründers aus einem gewissen Bonker in Berlin, den man wohl wieder von der Keynote-Liste gekegelt hat).

Macht mal hin, Ihr da. Viel Spass – da kommt zusammen, was zusammen gehört. Die gern von PRoleten formulierte Phrase von “im Mainstream angekommen” passt zumindest auf Euch selber, mit Glitzerevents, Aprikotpolitikschüsseln und CSUblauen Kotztüten auf den Podien, und Christiansen2.0 mit “bitte die Klappe halten”, man darf die Sponsoren ja nicht verprellen.