So. Seit dem letzten gescheiterten Kontaktversuch anfang der Woche hat das Umfeld von StudiVZ – Business Angels, Freunde, sich durch Ansprache toll vorkommende Blogger und ein VC – durch mein näheres Umfeld gebimmelt. Mit nicht so dollem Erfolg, weil die Kontaktdrähte in solchen Fällen ganz natürlich besser zu dem laufen, der die Kugel im Lauf und, sorry für die drastischen Worte, nicht im Hinterteil hat. Vor kurzem nun ereilte mich eine Mail von einer Person, von der ich annehme, dass ihre freundliche Anfrage den Versuch implizierte, mir ein Angebot zu machen. Wie im Journalismus nicht ganz selten, ein Test, um zu schauen, ob da was geht.

Ich denke, wir können das auch öffentlich machen. Mit folgendem Disclaimer: Ich nenne den Namen der Person nicht, weil ich sie kenne und weiss, dass sie tatsächlich zwischen den Fronten steht und persönlich mit drin hängt. Und ich nehme ein derartiges Friedensangebot in Verbindung mit – früher hätte man gesagt – Kontributionszahlungen nicht an, so es denn überhaupt ernst gemeint und jenseits symbolischer Beträge gewesen sein sollte. Die Frage der Mail lautete übersetzt:

Sag, was wir tun können, damit das ein Ende hat, wir werden uns erkenntlich zeigen

Die Antwort ist so einfach, dass ich kein Geld dafür nehmen kann:

NICHTS.

Wenn ich Blogskandale mit von Medien betriebenen Skandalen vergleiche, gibt es drei Dinge, die sie grundsätzlich unterscheiden, und die meines Erachtens kaum wahrgenommen werden. Es gibt kein Lehrbuch im Journalismus für eine Kampagne, aber grob gesagt weiss jeder, wie es geht: Man hat einen Auslöser, man hat in der Regel doppelt so viel Wissen, wie man schreibt, die erste Reaktion des Gegners ist leugnen, und dann brät man ihm die zweite Ladung in seine hässliche Lügenfresse, und alle anderen (ausser seinen Freunden und Lakaien) steigen mit ein, weil man gerne auf einem rumtrampelt, der sich nicht mehr wehren kann. Zwei Monate später sind alle Medienwauwaus dieser Person treue Speichellecker, weil sie glauben, dass es noch eine dritte Ladung gibt, man wird hofiert und nett behandelt und hält dann die Fresse. So weit, so miserabel.

Blogs sind anders.

1. Blogger sind modular. Wenn wir uns die jetzige Krise anschauen, gibt es ein weites Spektrum an Aktionen und Meinungen. Ich weiss, dass momentan ich herausrage, ich bin sowas wie der Stosstrupp, weil ich, salopp gesagt, die meisten Kugeln im Magazin und zwei nicht kleine Blogs habe – und das, was man mal als “Prätorianergarde” bezeichnet hat, eine Gruppe, die bei sowas mitgeht. Und ich kann etwas tun, was ich als Journalist nie könnte – ich kann unabhängig vom Genörgel der Leser ganz nach Belieben das Thema so setzen und entwickeln, wie ich will. Ich gebe zu, dass ich mutmasslich eine Menge über solche Einsätze weiss, aber an diese Freiheiten musste ich mich auch erst mal gewöhnen. Inzwischen, denke ich, weiss ich, wie das geht, und ich kann sowas über zwei, drei, vier Wochen fahren. Medien ginge da längst die Puste aus

2. Aber damit bin ich nicht alleine. Ich glaube, dass es im modularen System der Blogosphäre so eine Art kollektiven Themendruck gibt. Da ist was, das raus muss. Solange ich das vorantreibe, sitzen andere in den Sesseln und nehmen Popcorn. Würde ich von der Bühne gehen, wäre sicher einer da, der aufstehen würde und weitermachen. Einfach, weil es einen gewissen Drive hat, und alle fühlen – da geht noch was. Da muss noch was kommen. Ich habe keine Ahnung, wer das ist, vielleicht sind es mehrere, vielleicht gibt es einen neuen Impuls, eine neue Angriffsfläche, neue Bilder und Informationen – das weiss niemand. Insofern ist es sinnlos darauf zu setzen, die anscheinend zentrale Person rauszunehmen. Das ändert nichts am Druck der ganzen Geschichte, der Druck sucht sich einfach andere Wege. Der Druck ist das Problem, nicht ein einzelner Blogger.

3. Genauso sinnlos ist das Äquivalent zum Lakaien kaufen, das Anheuern und Untertützen von Bloggeria, die rummault, das ginge jetzt zu weit, das kann man so nicht machen, man soll doch etwas netter sein. Wenn so ein Thema mal abhebt, werden diese Leute nach jeder weiteren Enthüllung saudumm aus der Wäsche schauen. Die “nehmt Euch nicht so wichtig ist doch egal kümmert keinen seid nicht so brutal so kann man das nicht sagen Ihr Neider Aber Aber” Appeaser sind ein stetiges Begleitmoment aller bisherigen Fälle gewesen, gebracht hat es nie etwas, die Dynamik hat sie jedesmal überrollt.

Was heisst das? Letztlich: Meine Bloggerhaut ist, wie jede andere, und wie alle Regeln der herkömmlichen PR vollkommen wertlos. Die Haut hätte vielleicht sehr frühzeitig einen Wert gehabt, bevor das Thema seine Eigenresonanz entwickelt und sich aufschaukelt, aber bisher war es noch in allen Fällen von Monigate über Johannsen + Kretschmer, Edelman, Jamba, Dubistdeutschland bis zu StudiVZ so, dass die andere Seite dachte: Ach, die Blogger, die deutsche Winzszene, was kann die schon ausrichten. Diese Klowände. Diese Neider. Auf die hört doch keiner. Was in diesen Fällen einen virtuellen Wert für Betroffene hat, wäre die Blogosphäre an sich, ihren Wert kann man im eigenen Wert- und Imageverlust ausdrücken, aber glücklicherweise kann man diesen Haufen unterschiedlichster Sozialsysteme nicht kaufen. Diesem widersprüchlichen Kosmos, diesem Antikollektiv als Ganzem sind Einladungen, Werbebuchungen und Streicheleinheiten egal.

Die Folge: Freunde der Blasmusik, wenn Ihr in Zukunft auch nur drei Tage Top1 bei Technorati seid, dann ist das ein 100% Volltreffer mitschiffs, dann wird das Thema auch in Deutschland kommen, dann gibt es nichts mehr, was Ihr noch tun könnt.

Nichts-

ausser ehrlich sein, Fehler sofort eingestehen und noch ein wenig mehr, freiwillig und umgehend Konsequenzen ziehen, um Euch von den Gegnern zu lösen. Edelmaner und sonstigen PRoleten und Scharlatane können Euch sagen, welche Probleme anstehen, aber das geht auch ohne deren Hilfe, das fühlt man nach einer Weile. Alles andere ist Volldampf voraus in den Torpedo hinein. Die alte Arroganz und der Glaube an einen möglichen Deal reizt die Leute nur noch weiter. Desto früher man entgegenkommt, desto einfacher ist es.

Ansonsten läuft der Torpedo. Wie gerade jetzt. Und ihr könnt nichts tun.

Ausser hoffen, dass die, die Euch jagen, es nicht ehrlich meinen. Das, keine Frage, ist Eure Chance. Und die rabenschwarze Kehrseite der oben dargestellten “Hautse hautse immer auf die Schnauze”-Einstellung. Jedem Blogger und jedem Kommentator muss klar sein, dass die Torpedos, die man losschickt, irgendwann zurück kommen können, wenn sie nicht wirklich sauber gezielt sind. Bezeichnenderweise waren wir im Fall Dittes vs. Unister, einer Art Vorspiel zu StudiVZ schon mal ganz nah dran am Blogger-GAU, denn da kamen leichtfertig abgefeuerte Torpedos zurück. In solchen Fällen dann zeigt sich, wer wirklich Grösse hat. Und da denke ich, dass es schon Häute hier draussen gibt, die doch was wert sind. Weil sie eben nicht käuflich sind.