Das Thema Edelman wird momentan immer weiter getrieben, denn zu den aktuellen Technorati-Debakeln kommt jetzt auch noch Neues aus Amerika dazu; Robert Basic und Patrick Breitenbach haben schon kurz darauf verwiesen: Der Edelman-Kunde Walmart ist mit einem Fakeblog aufgefallen, justament zu einem Zeitpunkt, da die miese Behandlung der Macjobber bei Walmart zu einigen spektakulären Prozessen und Urteilen (Gewerkschaftsseite) geführt hat. Aber schauen wir mal etwas genauer hin, da gibt es noch viel zu entdecken.

Kritik an Walmart ist nicht neu. Der Walmart Greeter ist der Inbegriff des schlecht bezahlten Jobs in den USA, Walmart macht den Einzelhandel kaputt und vertickt den billigsten Plunder ohne Rücksicht auf die Herstellung. Wenn McDonalds der Fettarsch Amerikas ist, ist Walmart die aufgequollene Gierfresse. Seit zwei Jahren versucht Walmart, zusammen mit Edelman aktiv gegen solche Meinungen vorzugehen. Edelman hat das Prinzip der Me2Revolution, mit der verkündet wurde, dass mit ihr die drittgrösste PR-Agentur der Welt auf Online Konversationen mit besonderem Augenmerk auf den direkten Kontakt zum Nutzer und Verbraucher setzt:

How can companies embrace this future of empowered stakeholders? Speak from the inside out, telling your employees and customers what is happening so they can spread the word for you. Be transparent, revealing what you know when you know it while committing to updating as you learn more. Be willing to yield control of the message in favor of a rich dialogue, in which you learn by listening. Recognize the importance of repetition of the story in multiple venues, because nobody believes something he or she hears or sees for the first time.

Dialog, das ist es, was Edelman für Walmart im Sinn hat, sagt man bei Edelman. Und wie finktioniert dieser Dialog? Nun, zuerst richtet man dafür eine Zentrale mit Leuten ein, die Erfahrung mit Kampagnen haben. Und man nennt es War Room. War Rooms sind in den Wahlkämpfen die Zentralen, in denen die eigene Kampagne laufend optimiert, der Gegner beobachtet, ausgeforscht und diskreditiert wird, mit dem Ziel, die eigene seite so gut und die andere so schlecht wie möglich hinzustellen. Bei Walmart sind durch Edelman die Topberater von Clinton während des Lewinsky-Skandals und Reagen während diverser Erstschlag-Ooopsies, und die machen aus ihrer Sicht des Dialogs mit denen da draussen gegenüber der New York Times Ende Oktober 2005 keinen Hehl:

Whenever possible, Mr. McAdam said, the war room will try to neutralize criticism before it is leveled.

McAdam war früher PR-Mann für die Zigarettenbranche. Neutralize ist militärisches Neusprech für Abmurksen, das in die PR-Branche gewandert ist. Damit könnte man eigentlich schon wieder Schluss machen und Edelman als bigotte Bande titulieren, die schön daherreden und in Wirklichkeit den widerlichsten Teil der PR-Branche auf das Internet ansetzt. Wäre aber schade, denn Edelman hat weitaus mehr Fehler gemacht, als den Dialog ausgerechnet aus einem War Room heraus zu beginnen.

Vielleicht hätte man besser die Klappe gehalten, denn die nächste Erwähnung in der New York Times war nicht mehr so nett. Die Zeitung veröffentlichte am 7. März 2006 einen grossen Bericht über die Versuche von Edelman, bei Bloggern nicht gekennzeichnete Walmart-Meldungen unterzubringen. Dass manche die PR tatsächlich ohne Quellenangaben abdruckten, war für die auch nicht gerade fehlerfreien Medien ein gefundenes Fressen. Edelman-Boss Richard Edelman sah sich gezwungen, die Sache auf seinem eigenen Blog schönzureden, während woanders, der Link ist später wichtig, begonnen wurde, sich auf Walmart und Edelman einzuschiessen.

Etwa zeitgleich wurde unter der Edelman-Ägide die Website Walmarktfacts zu einem zentralen Portal zur Kommunikation netter Walmartgeschichten auf Kundenniveau aufgebaut. Darunter finden sich auch zwei Blogs, die den mitunter den Anschein machen, als würden sie authentisch vom Leben von und bei Walmart berichten: Life at Walmart zu den Arbeitsbedingungen und Working Families for Walmart für die Kunden, die unter anderem aufgerufen werden, ihre Geschichten zu erzählen und sich für Walmart als Pressure Group politisch zu betätigen. Das alles ist bekannt, trotzdem behauptet letzteres Blog von sich:

Working Families for Wal-Mart is a group of leaders from a variety of backgrounds and communities all across America. Working Families for Wal-Mart are customers, business leaders, activists, civic leaders, educators and many others with first-hand knowledge of Wal-Mart’s positive contributions to communities.

Stimmt nicht, es ist eine Konstruktion von Edelman für Walmart. Es kommt aber noch besser: Diese von Edelman initiierte “Gruppe” betreibt auch noch das Blog Paidcritics, das versucht, Kritiker als käufliche Lügner zu enttarnen. Dass der Dialog bei allen drei Blogs über Kommentare und Trackbacks nicht möglich ist, ist eine kleineres Problem im Vergleich mit dem Umstand, wie hier “offen” und “ehrlich kommuniziert wird. Interaktiv ist es durchaus – es gibt eine Emailadresse, wo man bezahlte Kritiker verraten kann. Aber auch das schönste Blog hilft nichts, wenn es offline nicht klappt. So geschehen mit dem Working Families for Walmart Chef Andrew Young, einem nicht unclever gewählten Afroamerikaner, der es in einem Interview begrüsste, dass Walmart kleine Geschäfte kaputt macht:

“But you see those are the people who have been overcharging us — selling us stale bread, and bad meat and wilted vegetables. And they sold out and moved to Florida. I think they’ve ripped off our communities enough. First it was Jews, then it was Koreans and now it’s Arabs, very few black people own these stores.”

Rassismus und Antisemitismus sind etwas anderes als gute PR. So ist das, wenn der Obermacker im War Room sich mit einer Granate die Zigarre anzündet. Da hilft auch kein schickes Blogteam bei Walmart mehr, das von einem Edelman-Mitarbeiter geleitet wird. Besonders nicht, wenn dieser Leiter erwischt wird, wenn er versucht, Kritiker zu kaufen, die er im Falle von Consumerist, siehe oben, auf sich gezogen hat. Sachen wie

“This is all off the record. What can we do to get you to stop writing about our companies?”

sind ausgesprochen unkluge Einlassungen, wenn sie nachher im Internet stehen. Natürlich ist das ein Dialog – aber unter Dialog läuft auch Folter, Lüge, Verleumdung und, wie hier, gewisse Angebote, um unerwünschte Dialoge zu beenden. Me2Revolution eben. Dass Edelman übrigens direkt hinter Working Families for Walmart steht, konnte man dann letzt Woche in einem Geständnis nachlesen. Zwei freie Journalisten hatten, von Walmart bezahlt, mit dem Wohnmobil eine Reise durch Amerika unternommen und Geschichten von den idllischen Walmarktparkplätzen aufgelesen und gepostet:

So I called my brother, who works at Edelman and whose clients include Working Families for Wal-Mart, in order to find out if we’d be allowed to talk to people and take pictures in Wal-Mart parking lots.

Wer sie waren, wollten sie nicht sagen, aber rausgekommen ist es auch so: Die Business Week bringt alle unschönen Details über die Edelman-Walmart-Connection, durch die das Fakeblog angeblicher Walmartbegeisterter entstanden ist. Aber kein Schaden, wo nicht auch ein Nutzen dabei ist – so beschimpft die Autorin zum Schluss nochmal die bösen kritiker, die ihre Identität herausbekommen haben. Die Folge: Das Blog wurde weitgehend gelöscht, und auch der schicke zugehörige Flickr-Account ist nicht mehr. Alles Spurenverwischen hilft jedoch nicht weiter; der Photograph der Tour, ein freier Mitarbeiter der Washington Post, muss sich diesen knallharten Artikel des eigenen Hauses reinziehen und alle ihm entstandenen Kosten an Walmart zurücküberweisen. Sowas nennt man ein Exempel statuieren, und eine Warnung an käufliche Johurnaille, in Zukunft Edelmans Me2Revolution besser zu meiden. Dass Edelman damit selbst gegen die Richtlinien des Word-of-Mouth-PR-Verbandes verstossen hat, an dem sie selbst mitgeschrieben haben, ist nur eine Frage unter vielen, die jetzt seit vier Tagen zu einem Sturm der Entrüstung in der amerikanischen Blogosphäre geführt haben. Die vielen Edelman-Blogger, mitsamt dem Chef und dem bekannten Steve Rubel – hüllen sich in Schweigen. Die drittgrösste PR-Agentur der Welt hat einen PR-GAU hingelegt und hat es vier Tage nicht für nötig, sich dazu zu äussern.

HALLO?

Jaaa, werden manche sagen, das ist Amerika. Aber hier? Nun, hier sieht der Dialog so aus, dass man sich alle Mühe gibt, eigenes Versagen klein zu reden. Natürlich auf den “privaten” Blogs der Mitarbeiter. Hier mal ein Beispiel vom Formsache-Blog. Oder die deutsche Edelman-Chefin Kunze “die Amtliche” zum gleichen Thema, die glaubt, mit der Masche hätte man Leute zum nachdenken gebracht. Eine andere nette Sache passiert hier im Blog von Thomas Knüwer beim Handelsblatt. Thomas bringt eine Story der nicht unumstrittenen PR-Bloggerin Strumpette. Es dauert nur etwas mehr als eine halbe Stunde, dann steht im zweiten Kommentar

a) Strumpette. Hm. Vielleicht dient dieser kurze Post dem besseren Einblick: http://blog.basturea.com/archives/2006/05/18/no-strumpette/
Richtig, nein, Strumpette ist keine sexy bestrumpfte Ex-Super-Account-Directress mit Einblick in alles und jeden. Das ist ein “er”, der ein wenig enttäuscht scheint, von seiner “ungeheuren Erfahrung” (die ja jeder hat, der schon mal drei Wochen bei Müller&Meier-PR in Buxtehude Praktikum gemacht hat) zehrt.

Nicht nett, diese Behauptung, oder? Nun ist Strumpette Amanda Chapel nach allem, was man weiss, durchaus weiblich. Vor allem aber ist sie die vielleicht schärfste Kritikerin der Me2Revolution und hat immer wieder auf die Diskrepanz zwischen Realität und Anspruch hingewiesen. Von dem kommentierenden Edelman-Mitarbeiter würde man sich da, hm, durchaus mehr Distanz erwarten. Denn so, wie es da steht, ist es schwer, zwischen privater Meinung und Firmenspin zu unterscheiden – wenn es bei Edelmänern solche Unterschiede gibt.

Bleiben zwei Fragen: Was bedeutet das für Edelman – und was für Blogger.

Edelman hat 2000 Mitarbeiter, Walmart ist einer ihrer Grosskunden. Mit seinem multiplen Versagen hat sich der selbsternannte Dialogvorreiter Edelman weitere Aufträge dieser Art wahrscheinlich auf lange Zeit verbaut. Nachdem Me2Revolution das neue Hauptkennzeichen werden sollte, dürfte der “Brand” Edelman massiv Schaden leiden, weil alle Konkurrenten genau diese Geschichten bei den Kunden bekannt machen werden. Wenn der Zukunftsmarkt wegbricht, kann es gut sein, dass Edelman erheblichen Schaden davonträgt. Zumal nach dem letzten Streich auch ein Haufen Medienleute eher vorsichtig bei Edelmanschen Mitteilungen sein werden.

Was Blogger angeht: Ohne hier einen Manichäismus predigen zu wollen; Edelman ist der Erzfeind. Edelman interessiert sich einen Dreck für Dialog, sie interessieren sich für ihre Kunden und werden, siehe oben, jede Schweinerei machen, um die zufrieden zu stellen. Ausser vielleicht kritische Blogger erschiessen. Das Anschleimen, der Einsatz gekaufter Blogger wie Steve Rubel ist da nicht mehr als ein Hilfsmittel, gutes Wetter zu machen. Dialog in allen obigen kranken Edelmanformen ist nur ein Mittel zum Zweck. Ihrem Profit.

Nachtrag: Während des Schreibens kam die dürre Ansage von Richard Edelman rein, dass sie es tatsächlich waren und die Sache verbockt haben. Witzig finde ich nach vier Tagen peinlichen Schweigens den Versuch, es immer noch irgendwie hübsch aussehen zu lassen:

For the past several days, I have been listening to the blogging community discuss the cross-country tour that Edelman designed for Working Families for Wal-Mart. I want to acknowledge our error in failing to be transparent about the identity of the two bloggers from the outset. This is 100% our responsibility and our error; not the client’s.

Mitgefangen-Mitgehangen-Steve-Rubel der Grossmäulige, der ebenfalls die schmalen Lippen nicht aufbekam, verweist nur auf den Boss und fügt hinzu:

I am sorry I could not speak about this sooner. I had no personal role in this project. There is a process in place that I had to let proceed through its course. This is why it took some time.

Transparent. Direkt. Ehrlich. Edelman und seine Jünger haben absolut keine Ahnung davon, wie Blogs funktionieren.