Von aussen betrachtet, vom Standpunkt der klassischen Medien, ist die Subjektivität des Bloggens spätestens dann ein Problem, wenn es um Werbung, PR oder Promotion geht. Dann, so die gängige These, ist halt doch wieder der objektive Journalismus mit seiner strikten Trennung zwischen Werbung und Inhalt gefragt.

Da passt es ganz gut, dass in den letzten Wochen ein paar Fälle von Promotion passiert sind, anhand derer man die verschiedenen Kombinationen mal durchspielen kann. Ohne Namensnennung und Verlinkung mal erzählt:

1. Da ist ein in der Blogosphäre recht bekannter Blogger, der den Lesern erklärt, dass er innovative Werbeformen entwickelt. Ersagt ihnen, wer seine Kunden sind, was die wollen, baut das selbstverständlich in seine Texte ein und regt die Leser an, bei den Aktionen mitzumachen – Aktionen, die transparant sind und so neu, dass es wohl vielen auch wirklich Spass macht. Hier setzt der Blogger – zurecht, meine ich – auf die Glaubwürdigkeit seiner offenen Subjektivität und auf die Fähigkeit der Leser, die Sache für sich selbst zu objektivieren.

2. Da ist ein anderer auch nicht ganz unbekannter Blogger, der in verschiedenen Projekten mitarbeitet. Eines dieser Projekte ist an einem grossen Medienkonzern angedockt. Und da erzählt er nun locker und subjektiv, dass es da eine Veranstaltung gibt, die cool werden könnte, weil sich die Macher was Neues haben einfallen lassen. Klingt erst mal gut, ist es vielleicht auch. Aber selbst erfahrene Blogger, die den anderen verorten können, kommen kaum drauf, dass die Veranstaltung von einem anderen Projekt des Bloggers gemacht wird. Es ist einfach nicht auf Anhieb zu erkennen. Und in solchen Fällen wird wohl tatsächlich die Subjektivität als Marketinginstrument missbraucht, als besonders authentische Schleichwerbung.

3. Da ist noch ein nicht unbekannter Blogger, der keinen Hehl daraus macht, dass er für eine Firma arbeitet. Dieser Firma hat ein neues Produkt, und er sagt, dass jeder, wer es mal testen will, ihm eine Mail schicken soll. Die Leute reagieren darauf, probieren es aus, manche finden es gut, bei anderen treten Fehler auf, man diskututiert in den Blog offen darüber. Durch diese multiple, durch Links und Technorati abfragbare subjektive Debatte wird das Produkt keinen Jota besser, aber glaubwürdig. Zumal, wenn der Blogger zusagt, dass er an den Problemen arbeitet.

4. Da ist ein auch nicht unbekannter Blogger, der mit einem anderen befreundet ist – da wird oft genug verlinkt, es gibt genug Flickr-Bilder, auf denen beide zu sehen sind. Der andere hat ein Produkt, der erste wiederum findet es toll, sagt es auch in seinem Blog, nennt den anderen mit Vornamen. Das ist soweit in Odnung, jeder kann sich aufgrund des subjektiven Verhaltens einen Reim drauf machen, zumal da auch angesprochen wird, dass andere das Produkt nicht so doll finden. Aber dann erscheint in einem wichtigen Medium ein Artikel des ersten Bloggers über das Produkt des anderen, und der ist auch eine Lobeshymne, die Kritik fällt aus, und man müsste als Nichtblogger erst mal den Namen des Verfassers googeln, um zu erkennen, dass es sich dabei nicht wirklich um unvoreingenommenen Journalismus handelt. Im zweiten Fall ist es also gerade das Fehlen der ehrlichen Subjektivität, die das Verhalten problematisch werden lässt.

Das alles, wohlgemerkt, spielt sich in weithin bekannten Blogs und führenden Qualitätsmedien ab, wir reden hier also nicht über irgendwelches Special-Interest-Gemauschel, wie man es inzwischen bei manchen Kleinstblogs für Autoteile, Alkoholika oder kommunikationswissenschaftliche Leistungen beobachten kann.

Das Problem in diesen Fällen ist nicht die Subjektivität als solche, sondern das Vortäuschen einer Objektivität oder eine aus Eigeninteressen vorgetragene Subjektivität, die beide die wahre Subjektivität verschweigen. Subjektivität im Sinne von ehrlicher Kommunikation des eigenen Standpunkts, idealerweise in einem Netz weiterer Subjektivität, ist dagegen der Ausweg aus dem Pseudo-Objektivitätsdilemma – und das Tolle ist: In der partizipativen Netzwerkstruktur des Internet ist das möglich, im Gegensatz zu den klassischen Medien, die natürlich gar nicht erwarten, dass ihr angeblich dröges Lesevieh auch noch woanders schaut und sucht.

Insofern denke ich, dass Subjektivität kein Regelverstoss ist, sondern in den Blogs eine Qualität der Meinung, und alle Meinungen zusammengenommen es den Betrachtern erlauben, ihre eigene Subjektivität zu objektivieren. Solange da keiner wie oben beschrieben bescheisst – aber auch darüber kann man dann ja auch bloggen.