Sobald man für sein Schreiben bezahlt wird, ist man Journalist. Im Gegensatz zum meist recht sinnfreien, ungebundenen und nicht Märkte bedienden Bloggen hat man in diesem Moment eine ganze Latte von Anforderungen, die man erfüllen muss, um im Spiel zu bleiben. Um nur mal ein paar Beispiele zu nennen, was ich als Blogger tun kann, für das mein Journalisten-Ich schnell Probleme bekommen würde: Kollegen pauschal als Arsch bezeichnen, Leser zum verpissen auffordern, mich nach Lust und Laune ohne Ende prügeln, und frei Schnauze Leser auf meine Blacklist setzen. Ganz abgesehen davon, dass meine Leser ebensowenig Ahnung wie ich haben, was morgen kommt. Ausgewogenheit und klassische Lehrbuchqualitäten für Journalismus interessieren weder mich noch meine Leser, sonst wären sie nicht auf dem Blog und würden meine Zeitungsartikel kaufen.

Themenmix? Zielgruppenanalyse? Marktbeobachtung? Analyse der Konkurrenz? Is nicht. Wird auch nie kommen. Bloggen hat mit Journalismus so viel zu tun wie der Wolf mit dem Pudel. Es gibt ein paar wenige Ausnahmen, Hal Faber vielleicht, Maxim Biller hat mit den 100 Zeilen Hass geblogt wie auch Peter Glaser mit dem blauen Planeten in Tempo, aber die heutige, netzgebundene Blogform der Publizistik ist als Hauptberuf nach meiner Kenntnis der Medienwelt nicht denkbar.

Aber: Es gibt einige Aspekte des Bloggens, die ihren Weg in den Internetjournalismus finden werden. Was durch den Erfolg der Blogs zu Ende geht, ist die fatale Ideologie der vertikalen Portale, die nie nach draussen lenken und versuchen, die User einzuzäunen. Und noch was wird verschwinden: Der Workflow und die Hierarchie innerhalb von Redaktionen – und damit die Redaktion selbst.

Die Anarchie der Blogs mit dem singulären, eigenverantwortlichen Autor ohne redaktionelle Kontrolle und übergrossem Leck-mich-Ego ist auf den ersten Blick abschreckend – aber auf den zweiten Blick werden es die Controller grossartig finden: Erlaubt und erzwingt es doch die weitgehende Abschaffung kostenintensiver, reguliernder Leitungsposten. Das wird heute schon bei externen Redaktionsbüros ähnlich betrieben, aber ein Journalist als totaler Einzelkämpfer in seiner publizistischen Blogstruktur könnte den Onlinejournalismus so verbilligen, wie es der Videojournalist VJ mit den dreiköpfigen Aufnahmeteams beim Fernsehen gemacht hat.

Das ist voller Risiken: Es zwingt Journalisten zur Profilierung, zum Kampf aller gegen alle, es löst die manchmal vorhandene Solidarität ab, hin zu einer jeden Tag neu entstehenden Hierarchie unter den Journalisten. Manche werden einschlagen wie eine Bombe und vielleicht Stars werden, bei anderen wird ihr Rohrkrepierertum gnadenlos sichtbar. Die Verbloggung von Journalisten mag grausam sein, stellt aber nur die realen Verhältnisse hinter den egalitär scheinenden Medien dar. Die Stars werden sich Extravaganzen leisten können und müssen, die anderen sind dann das blogmediale Lumpenproletariat, immer auf der vergeblichen jagd nach dem Zeitgeist und den Clicks. Spich: Die im Moment lustigen Schwanzlängenvergleiche unter Bloggern werden für die vereinzelten Journalisten bitterer Ernst. Mit in Blogstrukturen implementierten Journalisten könnten Medienhäuser jeden Autor zum Profit Center machen, und sage bitte keiner, die Dieckmanns und Hombachs dieser Welt hätten mehr Herz für Schreiberlinge denn für Profitmaximierung.

Und die Folge? Es wird Websites geben, die wie ein Blog aussehen, Blogfunktionen haben, vielleicht auch so geschrieben sind und auf WordPress basieren – aber es ist bestenfalls banaler Journalismus, der etwas dazu gelernt hat. Schlimmstenfalls macht es aus der schreibenden Zunft eine Generation Schleudersitz, die täglich, stündlich, mit jedem Content evaluiert wird. Was da gerade durch Blogqualität- und Impactblog-Debatten durch HTML geistert, sind die ersten Anzeichen dieser Grauzone, auf die gewisse Blogger wie auch gewisse Journalisten und Wirtschaftsleute im Moment gebannt schauen. Vielleicht ist das Dunkelste darin meine Schwarzmalerei, vielleicht aber auch nicht.